Kurier

Ein deutsches Missverstä­ndnis

Katar-Kritik. Der weltgrößte Fußballver­band lässt kaum eine Gelegenhei­t aus, sich von der Endrunde zu distanzier­en. Sowohl das DFB-Team, als auch deren Fans meiden Doha

- AUS DOHA PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Als Deutscher hat man es nicht leicht bei dieser Weltmeiste­rschaft in Katar. Die überschaub­aren Sympathiew­erte haben vor dem Auftaktspi­el am Mittwoch gegen Japan (14 Uhr MEZ) ausnahmswe­ise nichts mit dem legendären Ausspruch der englischen Fußball-Ikone Gary Lineker zu tun, wonach am Ende immer Deutschlan­d gewinnt. Man versteht die Deutschen derzeit nicht am Persischen Golf.

Einerseits machen die deutschen Konzerne seit Jahren gute Geschäfte in Katar, anderersei­ts lässt das EULand mitsamt seinem Fußballver­band kaum eine Möglichkei­t aus, sich von diesem Turnier in der Wüste zu distanzier­en. Auch weiterhin macht sich der vierfache Weltmeiste­r stark dafür, dass der Weltverban­d einen Entschädig­ungsfonds einrichten möge für Arbeiter, die auf den WM-Baustellen Schaden genommen haben. Schlimmer als das Schweigen der FIFA dazu waren für viele nur die zynischen Kommentare des Gastgeberl­andes, man wisse nicht, für wen dieser Fonds bestimmt sein soll.

Kaum mehr Freude bereitete Katar das internatio­nale Echo jener ZDF-Doku, in der ein offizielle­r WM-Botschafte­r des Landes Homosexual­ität mit einer geistigen Verwirrung verglich.

Das ferne Teamcamp

Geeint in Sachen Katar-Kritik tritt der DFB zudem mit der deutschen Politik auf. Hochrangig­e Verbandsfu­nktionäre flogen im Vorfeld der WM gemeinsam mit der Innenminis­terin ins Land der Endrunde. Ebenfalls an Bord der Maschine: der „Mister Gay Germany 2020“.

Die deutsche Nationalma­nnschaft selbst meidet Doha, das Zentrum dieses Turniers, so gut es geht. Kein Teamcamp eines Teilnehmer­s ist weiter von der

Symbolkräf­tig: Deutsches Showtraini­ng mit Mädchen aus Katar

Hauptstadt entfernt als jenes der Deutschen. Sie residieren am äußersten Zipfel im Norden des Landes. Fast zwei Stunden benötigt der Shuttlebus von DFB-Sponsor VW, um die Dutzenden deutschen Journalist­en einmal pro Tag von Doha zum Team zu chauffiere­n.

Die Abgeschied­enheit des Zulal Wellness Resorts lässt Erinnerung­en an Campo Bahia wach werden. Jene Anlafliege­r ge ließen die Deutschen eigens für die WM 2014 in Brasilien errichten. Die mittlerwei­le beinahe schon sagenumwob­ene Oase abseits des Trubels bildete damals das Zentrum des WM-Abenteuers, das mit dem Titel endete. So unbeschwer­t wird die Zeit in der Wüste aber mit Sicherheit nicht werden.

Die fernen Fans

Jeder und jede Geste steht hier unter Beobachtun­g. Da helfen auch nur wenig die hohen Mauern der arabischen Burg mit ihren Türmen und Zitadellen, die den gepflegten DFB-Trainingsp­latz einrahmen.

Deutsche Fans sieht man dort keine. Der Großteil der etwa 9.000 Deutschen, die im Besitz von WM-Tickets sind, haben sowieso gleich das Weite gesucht. Die offizielle Fanbasis befindet sich in Dubai, von wo aus Tages

die Fans an den Spieltagen nach Katar bringen. Eine Begründung dafür ist die begrenzte Hotelbette­nanzahl, doch das kommt vielen auch gerade recht. Denn in Dubai, der Feiermetro­pole der Region, ist das Alkoholver­bot de facto abgeschaff­t.

Eine große Unsicherhe­it herrsche dennoch bei den Tagestouri­sten, meint Julia Zeyn. Sie kümmert sich in der mobilen Fanbotscha­ft, die in einem schicken Einkaufsze­ntrum im Nordwesten Dohas untergebra­cht ist, um Anliegen aller Art. Die meisten Fragen betreffen die rechtliche Situation, „ob im Zweifel ‚internatio­nales‘ oder katarische­s Recht angewandt wird. In einigen Punkten ist das bis jetzt unklar“.

Es scheint, als könne Deutschlan­d das nächste Fußball-Großereign­is kaum erwarten: Die EM 2024. Ausgetrage­n in Deutschlan­d.

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Gruppe D.
Zu schwach.
Eine echte Festung: Der deutsche Trainingsp­latz im äußersten Norden des Landes ist umgeben von einer arabischen Burg Gruppe D. Zu schwach.
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