Warm anziehen
Uniform, Bewegungsfreiheit und Schutz – auf legere Eleganz und warme Hälse setzt man auch in Politik, Kunst und Wirtschaft
Im Frühling konnte man noch Emmanuel Macrons üppiges Brusthaar bewundern. Lässig posierte der französische Präsident im InstagramSchnappschuss auf dem Sofa, das weiße Hemd geradezu skandalös weit aufgeknöpft. Mittlerweile sind einige Monate ins Land gegangen, die Temperaturen empfindlich gesunken und die Energiepreise deutlich gestiegen. Statt mit offenem Hemd sitzt man mit warmer Weste und dicken Socken in sparsam-kühlen Homeoffices oder Büros. Auch Macron passt sich – publikumswirksam – den Gegebenheiten an. So erschien er zum Abendessen mit Bundeskanzler Olaf Scholz anlässlich des Tages der deutschen Einheit warm eingepackt im dunklen Rollkragenpulli unter dem 1 2
Sakko. Damit war er nicht der erste, der mit diesem recht simplen Kleidungsstück in die Schlagzeilen kam. Bereits Apple-CEO Steve Jobs machte den schwarzen Rollkragen zur blauen Jeans zu seiner Uniform. Angeblich besaß er über hundert, speziell für ihn angefertigte, Modelle des Designers Issey Miyake.
Eigenen Angaben zufolge hatte Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes sogar 150 schwarze Rollis im Kasten hängen, es sei „eine Entscheidung weniger, die sie jeden Tag treffen müsse“. Glück brachte ihr das Kopieren des Looks ihres Vorbildes jedenfalls nicht: Sie wurde soeben wegen Bluttest-Betrugs zu mehr 3 4 als elf Jahren Gefängnis verurteilt. Man muss ja auch nicht gleich einen Lebensstil aus dem Rollkragen machen. So wie Agent James Bond, der seit jeher – je nach Spionageeinsatz – zwischen Smoking und funktionalem Halsschmeichler alterniert. Auch Schauspielerin Audrey Hepburn sorgte über Jahrzehnte für unvergessliche Stilmomente. Ganz in schwarz, vom Rollkragenpulli bis zu den Ballerinas, erkundet sie in „Ein süßer Fratz“(1957) die intellektuelle Pariser „Empathikalisten“-Szene – und machte das Oberteil damit nebenbei zum modischen Kultobjekt einer Generation.
Bekennender Rollifan ist übrigens auch Diane Keaton, die ihnen ein Loblied singt: „Rollkragenpullis sind unterschätzt. Kaufen Sie sich einen! Sie polstern, schützen und isolieren einen vor Unglück.“ 5 6
Vorsorge. Während diverser Lockdowns hat sich im Freundeskreis ein neues Hobby etabliert: Blackout-Pläne entwerfen. Man erlebte ja damals sonst nicht viel, worüber man in den Zoom-Calls hätte reden können. Jedenfalls weiß jetzt jeder, wo unser Sammelpunkt ist, wer was mitzunehmen hat, wer welche Aufgabe haben wird, etc.
Zu unserer großen Freude hat am Wochenende das Bundesheer ein BlackoutKochbuch präsentiert, man kann es auf www.bundesheer.at runterladen. Der zukünftige Speise-Rationierer hat das bereits getan und das Buch laminiert und spiralisiert. (Es ist unschwer zu erraten: Im echten Leben ist er Volksschullehrer.)
Unter anderem wird erklärt, wie man eine Notkochstelle errichtet, und es beinhaltet Rezepte für verderbliche Lebensmittel. Außerdem sorgt das Blackout-Buch für Gesprächsstoff, während man im Finsteren Brotsuppe schlürft oder ein Eiergericht pikant (im Wesentlichen Eierspeis mit Tomaten und Paprika) genießt: Man kann sich über den alten Bundesheer-Reim, der hier als PR-Spruch missbraucht wird, aufregen. In einem roten Kreis prangt am Cover „Ohne Mampf kein Kampf“. Wer hat sich das denn bitte ausgedacht?
Im Ernstfall werde ich übrigens nicht für das Jagen zuständig sein. Der Verdacht lag immer schon nahe, bei einem Spaziergang verhärtete sich dieser endgültig. Ein
Reh floh im Wald vor einem Hund und kam auf mich zu gerannt – und ich hatte nichts Besseres zu tun als ihm stockstarr im Weg stehen zu bleiben. Das Reh schaute mir im Laufen kurz in die Augen, erkannte dort wohl umgehend meine Unfähigkeit, schlug selbst behände einen Haken und ließ mich wie angewurzelt stehen. Es dauerte einige Sekunden, bis wieder Bewegung in mich kam. Reflexe wie ein Faultier.
Naja, Brotsuppe ist sicher auch sehr schmackhaft.