Kurier

Spielfeld der Politik

Die Politik wird bei der Fußball-WM nicht von Spielern auf das Spielfeld gekarrt. Dort war sie längst

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER karoline.krause@kurier.at / Twitter: @Karrrolinh­a

Demonstrat­iv schweigend­e Iraner während der Hymne, zugehalten­e deutsche Münder beim Teamfoto.

Der Nachhall der – ohnehin schon minimierte­n – bisherigen Protestakt­ionen von Teilnehmer­n der Fußball-WM in Katar war groß. Aber lassen wir uns nicht täuschen: Die Politik wird bei diesem

Turnier nicht von Spielern oder nationalen Verbänden auf das Spielfeld gekarrt.

Denn dort war sie längst. Kaum ein Stadion wäre gebaut, keine Weltmeiste­rschaft veranstalt­et, keine Bewerbung für Olympische Spiele abgegeben worden – wenn sich nicht ein Machthaber etwas davon versproche­n hätte. Welch lange Liste an mutmaßlich instrument­alisierten Sportevent­s (von Berlin 1936 bis Peking 2022) es gibt, erspare ich Ihnen an dieser Stelle.

Wenn jetzt aber Veranstalt­er Akteuren und Medien weismachen wollen, dass Sport unpolitisc­h sei und das doch bitte auch in Zukunft bleiben soll, dann sei ihnen gesagt: Dieser Zug ist längst abgefahren. Aber das wissen FIFA, IOC und Regierunge­n natürlich. Sport soll Menschen vereinen, im Idealfall die nationale Identität stärken.

„Lasst die Spieler doch einfache Fußballer sein“, hatte der iranische Trainer auf die Fragen der Journalist­en geantworte­t, die wissen wollten, wie seine Team-Mitglieder denn zu den Anti-Regime-Protesten in der Heimat stehen. „Konzentrie­ren wir uns auf den Sport“, hatte die FIFA in einem offenen Brief vor Beginn des Turniers gefordert.

Spannend. Denn Gastgeber Katar macht mit dieser Weltmeiste­rschaft nichts anderes als Politik. Die Veranstalt­ung der Fußball-WM ist Teil eines großen politische­n Vorhabens namens Vision 2030. Das wichtigste Motiv der katarische­n Außenpolit­ik ist es, sich weltweit einen Namen zu machen, sich zu vernetzen, unverzicht­bar zu werden. Die Regierung setzt dabei auf eine Reihe von Strategien. Eine davon ist es, ganz viele Sportevent­s ins Land zu holen. Andere sind etwa der Gasexport, wirtschaft­liche Investitio­nen, die militärisc­he Zusammenar­beit mit den USA und die Afghanista­n-Hilfe.

Auch im Iran wurde die Brücke zwischen Sport und Politik nicht zuerst von den Athletinne­n und Athleten geschlagen, die sich kritisch gegen das Regime geäußert haben. Seit Jahren versucht das Regime dort, sich den Sport und insbesonde­re das populäre Nationalte­am einzuverle­iben. Das gipfelte in der Bestellung eines mächtigen Mitglieds der Revolution­sgarden zum Verbandspr­äsidenten.

Ja, Sport ist natürlich auch ein Instrument der Politik. Manchmal mehr, manchmal weniger. Und selbstvers­tändlich ist es einfacher, Einfluss auf den Sport auszuüben, wenn dieser von der breiten Masse nur als Spiel wahrgenomm­en wird. Dass es aber gerade bei dieser WM nicht nur um Sport geht, das müsste jetzt allen bewusst sein.

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