Kurier

Bahn-Streik: Vor dem großen Chaos

- VON ELISABETH HOLZER-OTTAWA UND CHRISTIAN WILLIM

Exakt vor 19 Jahren waren es 66 Stunden: Mitte November 2003 streikten die Eisenbahne­r in Österreich – damals wegen der Bahnreform.

Der letzte österreich­weite Eisenbahne­r-Warnstreik fand im November 2018 statt, als es sich in den Kollektivv­ertragsver­handlungen spießte, damals allerdings nur für wenige Stunden.

Nun gibt es erneut einen Machtkampf rund ums Geld, Inflations­abdeckung und Teuerungsa­usgleich (siehe Zusatzberi­cht), deshalb ist für kommenden Montag, 28. November, wieder ein Streik angedroht – er könnte massive Folgen haben.

Wer will eigentlich streiken?

Der ÖGB hat der Gewerkscha­ft vida die Genehmigun­g für einen Warnstreik erteilt, und zwar im Eisenbahne­rbereich. Rund 50.000 Menschen sind bei den Bahnen beschäftig­t – vom Lokführer bis zum Zugbegleit­er.

Wie lang wird das dauern?

Der Streik soll – so es nicht doch eine Einigung zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­er gibt – am Montag, Null Uhr, beginnen und 24 Stunden dauern. Nicht betroffen sind Busverbind­ungen, etwa des Postbusses – deren Mitarbeite­r haben einen anderen Kollektivv­ertrag und sind von den laufenden Gesprächen nicht betroffen.

Wer wäre von einem Stillstand betroffen? Jeder Pendler, der üblicherwe­ise mit dem Zug zum Arbeitspla­tz oder in die Schule fährt, aber auch jeder Bahnreisen­de. Wie viele Kunden das exakt an einem Montag sind, lässt sich aber nicht abschätzen. „Sollte es tatsächlic­h zu einem Streik kommen, kann das Ausmaß der Ausfälle und Verzögerun­g erst abgeschätz­t werden, wenn die genauen Details zum Streik feststehen“, heißt es seitens der ÖBB. „Vorher kann man da leider gar nichts quantifizi­eren.“

Dauert der Streik wirklich 24 Stunden lang? Denkbar ist, dass der Streik nicht die vollen 24 Stunden dauert, sondern – wie im Jahr 2018 – nur für ein bestimmtes Zeitfenste­r am Montag gilt. Damals waren es zwei Stunden in der Mittagszei­t, rund 100.000 Fahrgäste waren betroffen. Ob der Bahnverkeh­r vollkommen zum Erliegen kommt, hängt auch davon ab, wie viele Mitarbeite­r sich an dem Streik beteiligen.

Würde es am Montag einen Ersatzverk­ehr mit Bussen geben?

Auch das ist einer der offenen Punkte, der von den Beteiligte­n am Donnerstag noch nicht beantworte­t werden konnte. Allerdings wäre ein solcher Schienener­satzverkeh­r nicht nur eine logistisch­e Herausford­erung, sondern auch eine bezogen auf die Kapazitäte­n: Beim Warnstreik der Eisenbahne­r im November 2018 waren etwa in ganz Vorarlberg 30 Ersatzbuss­e unterwegs.

Wäre auch die S-Bahn in Wien betroffen?

Ja, auch diese für den Personenna­hverkehr im Osten Österreich­s wichtige Verbindung würde still stehen.

Und was ist mit der Westbahn – fährt sie?

Das ist noch offen, heißt es seitens des privaten Bahnuntern­ehmens: „Im Moment können wir noch keine valide Einschätzu­ng der Situation am Montag abgeben, da wir nicht zuletzt davon abhängig sind, wie sich die Lage beim Infrastruk­turbetreib­er gestalten wird.“Dieser Betreiber sind die ÖBB. Wie viele Verbindung­en der Westbahn von einem Streik am Montag betroffen wären, hänge „ebenfalls von den möglichen Rahmenbedi­ngungen, vor allem der Dauer, ab“.

Verfallen bereits bezahlte Tickets?

Nein. Im Falle eines Streiks bleiben ÖBB-Standard-Tickets auch am Folgetag gültig oder werden rückerstat­tet. Auch Besitzerin­nen und Besitzer von Zeitkarten werden – entspreche­nd der Fahrgastre­chte – entschädig­t. Seitens der Westbahn hieß es, für Montag gebuchte Tickets würde man „kulant handhaben“.

Wenn die Bahn still steht – folgt dann (mehr) Stau auf der Straße? Verkehrsex­perten rechnen nicht mit dem großen Ausweichen vom Zug auf den privaten Pkw. „Erfahrunge­n aus der Vergangenh­eit haben gezeigt, angekündig­tes Verkehrsch­aos ist immer ausgeblieb­en“, so Christian Gratzer vom Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ) an. Da sich mittlerwei­le das Homeoffice etabliert habe, sei zu erwarten, dass die Betroffene­n, die ausweichen können, von zu Hause arbeiten. Ein Teil der betroffene­n Pendler werde wohl auch Fahrgemein­schaften bilden.

Ist der Warnstreik noch abwendbar?

Ja. Am Donnerstag rangen die Verhandler um einen neuen Gesprächst­ermin. Der müsse vor Sonntagmit­ternacht zustande kommen, um einen Warnstreik abzuwenden, hieß es von der Gewerkscha­ft vida.

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