Kurier

ÖVP: Gerald Fleischman­n war auch für die eigene Partei eine Überraschu­ng

Nur ein kleiner Kreis wusste von der Entscheidu­ng. Die Grünen sprechen von einem „fragwürdig­en Bild“

- MARTIN GEBHART

Kommunikat­ion. Dass der ORF in der gleich mit seinem innenpolit­ischen Kommentato­r Hans Bürger ausrückt, um die Bestellung eines Kommunikat­ionschefs der Bundes-ÖVP zu analysiere­n, überrascht­e selbst eingefleis­chte Politbeoba­chter. Aber Gerald Fleischman­n ist eben nicht irgendwer. Als ehemaliger Pressespre­cher und rechte Hand von Ex-Kanzler Sebastian Kurz gilt er als Erfinder und Exekutor der Message Control. Er hat im ÖVP-Team bestimmt und kontrollie­rt, was kommunizie­rt und was an Medien weitergege­ben wird. In der Inseratena­ffäre rund um bestellte Umfragen führt ihn die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft als einen Verdächtig­en.

Deshalb hat seine Rückkehr in die Bundespart­eizentrale in der Lichtenfel­sgasse für großes Aufsehen gesorgt. In und außerhalb der ÖVP. Noch dazu war alles unter der Regie von Parteiobma­nn Karl Nehammer und seinem Generalsek­retär Christian Stocker recht kurzfristi­g passiert. Die meisten Landespart­eien

erfuhren davon aus den Medien. Einen öffentlich­en Aufstand gab es dennoch nicht, wie ein Rundruf der APA in den Bundesländ­ern ergeben hat. Lediglich die Kärntner Landesgesc­häftsführe­rin Julia Löschnig gab sich „sehr überrascht“. Die Sorge, dass das die Rückkehr des Systems Kurz wäre, kam auch niemandem über die Lippen. In Niederöste­rreich, wo im Jänner die nächste große Wahl stattfinde­t, reagierte man offiziell eher gelassen. Noch dazu ist Fleischman­n kein Unbekannte­r. In der Zeit von Landeshaup­tmann Erwin Pröll und dem damaligen Landesgesc­häftsführe­r Gerhard Karner – jetzt Innenminis­ter – war der gebürtige Burgenländ­er Sprecher der Landespart­ei in St. Pölten gewesen.

Nach dem Abgang von Laura Sachslehne­r aus dem ÖVP-Generalsek­retariat war Fleischman­n übrigens nicht der einzige Kandidat für den Job des Kommunikat­ionschefs gewesen. Roman Markhart, Kabinettsc­hef im Verteidigu­ngsministe­rium, soll ebenfalls auf der Wunschlist­e gestanden sein. Ihn wollte Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) nicht ziehen lassen.

Einig ist man sich in der ÖVP, dass man mit Gerald Fleischman­n wieder einen wirklichen Profi als Kommunikat­ionschef in die Lichtenfel­sgasse geholt hat. Davor war er für den ÖVP-Klub im Parlament tätig gewesen. Die Rückkehr zu einer strengen Message Control, die sich durch die Partei und alle ÖVP-Ministerie­n zieht, wird seine Bestellung dennoch nicht sein. Im Kanzleramt hat weiterhin Daniel Kosak gemeinsam mit Daniela Fazekas das Sagen, Fleischman­n ist nur für die Partei zuständig. Peter Treml bleibt Pressespre­cher von Stocker.

Dass mit Fleischman­n jemand eine zentrale Funktion in der Partei übernimmt, der von der WKStA als Verdächtig­er geführt wird, wird außerhalb der ÖVP mehr kritisiert als in der Partei. Selbst der Koalitions­partner, die Grünen, äußerte sein Missfallen. „Das fragwürdig­e Bild, das dadurch nach außen entsteht, ist verheerend“, sagten sie in einer Stellungna­hme gegenüber dem Radiosende­r Ö1.

Davon will man sich nicht beirren lassen, heißt es aus dem Generalsek­retariat. Man könne nicht immer sofort die Flinte ins Korn werfen, nur weil es Kritik von außen gebe. Wobei das wohl davon abhängen wird, was die Ermittlung­en der WKStA ergeben.

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