Wie es mit dem Ölpreis jetzt weitergeht
Energiekrise. Im Dezember tritt ein neues Maßnahmenpaket in Kraft, das die Einnahmen Russlands senken soll – der KURIER hat Experten gefragt, was davon zu halten ist
Die Ölpreise sind Anfang dieser Woche deutlich gefallen. Ausgelöst durch die Meldung, dass die OPEC die Fördermenge bei ihrer Sitzung Anfang Dezember um 500.000 Fass pro Tag erhöhen würde, sanken sie auf den tiefsten Stand seit einem kurzen Einbruch vor zwei Monaten. Zwar dementierte das in der Förderallianz einflussreiche Saudi-Arabien prompt, der Preis für ein Fass ( je 159 Liter) der Nordseesorte Brent bleibt mit zuletzt etwa 85 Dollar trotzdem deutlich unter der Marke von 90 Dollar.
Die OPEC, die sich in ihrer erweiterten Form als OPEC+ auch mit Russland koordiniert, hat erst im Oktober eine Kürzung der Ölförderung angekündigt. Das Ziel dahinter war laut Analysten, den Brent-Preis bei mindestens 90 Dollar zu halten. Hintergrund dürfte der weltweit eher moderate Konjunkturausblick sein. Zuletzt dämpften etwa neue Corona-Maßnahmen in China die Erwartungen.
Die nächste Erschütterung auf dem weltweiten Ölmarkt könnte bereits bald erfolgen. Denn am 5. Dezember treten neue EU-Sanktionen gegen Russland in Kraft. Ab dann soll kein Öl mehr auf dem Seeweg in die EU importiert werden dürfen, Öl-Produkte wie Treibstoffe – Russland ist ein wichtiger Lieferant von Diesel – können noch bis 5. Februar eingeführt werden. Allerdings haben die direkten Rohöl-Importe in die EU aus Russland bereits seit der Ankündigung der Sanktionen im Frühling stark abgenommen. Die Exporte über die Ostsee in die nördlichen EU-Staaten, bis vor einem Jahr der größte Abnehmer, sind um 90 Prozent eingebrochen. Diese Mengen wurden aber laut der Nachrichtenagentur Bloomberg zu etwa drei Viertel von anderen Staaten gekauft. Die größten neuen Abnehmer sind China, Indien und die Türkei. Insgesamt gehen mehr als zwei Drittel der russischen Ölexporte inzwischen nach Asien.
Bisher hätten die angekündigten Rohöl-Sanktionen keine Auswirkungen auf den Ölpreis gezeigt, meint der Ölmarkt-Experte Johannes Benigni von JBC Vienna. Seiner Einschätzung nach liegt das daran, dass die Marktteilnehmer damit rechnen, dass die Warenströme dann lediglich weltweit neu arrangiert würden. Das Öl würde also teilweise weiter oder öfter transportiert.
Russland–Preisdeckel
Wichtiger könnte aber ein anderer Teil des Sanktionspakets sein, nämlich ein Preisdeckel nur für russisches Erdöl. Dieser soll so umgesetzt werden: Die in diesem Segment marktbeherrschenden europäischen und britischen Versicherungsgesellschaften dürfen keine Leistungen mehr für Öltanker übernehmen, die russisches Öl transportieren, das über einem festgelegten Maximalpreis verkauft wurde. Denn würde Russland kein Öl mehr exportieren, würden große Mengen am Weltmarkt fehlen, steigende Preise und Mangel insbesondere in ärmeren Ländern wären die Folge, meint Benigni.
Der Preisdeckel, den die USA zunächst in der G7-Runde durchgesetzt haben, soll also dafür sorgen, dass Russland weiterhin exportiert, aber weniger damit verdient. Wie gut das funktioniert, wird sich erst zeigen. Russland hat bereits angekündigt, keine Geschäfte mit Abnehmern machen zu wollen, die die Maßnahme unterstützen.
Kaum Wirkung
Der Russland-Experte Wassili Astrow vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) rechnet nicht damit, dass der Westen hier viel Hebel hat: Denn die Versicherungsleistungen könnten auch von nicht-westlichen Anbietern übernommen werden, Schiffe könnten „Flagge wechseln“und der reale Kaufpreis könnte durch „kreative Buchhaltung“verschleiert werden. Allerdings würde die Umgehung der Sanktionen Russland Geld kosten, nicht zuletzt, weil dadurch die Verhandlungsposition der Abnehmer gestärkt wird. China und Indien kaufen das russische Öl bereits jetzt unter dem Weltmarktpreis – wenn der Preisdeckel, wie kolportiert wird, bei 65 oder 70 USDollar pro Fass liegt, könnte er also auch keine relevanten Auswirkungen auf diese Handelsbeziehungen haben.
Sowohl Astrow als auch Benigni halten es für wahrscheinlich, dass es durch die neuen Sanktionen zu einer geringfügigen Abnahme der russischen Ölexporte kommt. Das könnte den Marktpreis in Anbetracht der eingetrübten Konjunkturaussichten stützen. Dass die Exporte dermaßen einbrechen, dass es zu einer Mangelversorgung kommt, ist laut beiden Experten nicht abzusehen.