Kurier

Haus des Meeres.

Seit nunmehr 65 Jahren schwimmt Meeresgeti­er durch das alte Gemäuer

- VON ANDREAS PUSCHAUTZ julia.schrenk@kurier.at / Twitter: @juliaschre­nk

Große Feierlichk­eiten hat das Haus des Meeres (HdM) zum 65. Geburtstag am Samstag nicht geplant. Alle Gäste bekommen einen 65er-Schokotale­r als Geschenk, die ersten 65 dürfen sich zudem über freien Eintritt freuen. Viel mehr Party ist nicht.

Dabei gäbe es auch abseits des Jubiläums viel zu feiern: Nach den finanziell harten Coronajahr­en steuert der Meereszoo auf einen eindrucksv­ollen Besucherre­kord zu. 850.000 Gäste könnten es bis zum Jahresende werden, die bisherige Rekordmark­e aus dem Jahr 2019 liegt bei 650.000. „Damit ist auch die finanziell­e Misere Geschichte, wir können uns wieder frei bewegen“, berichtet Direktor Michael Mitic sichtlich erleichter­t.

25 Millionen Euro wurden alleine in den vergangene­n Jahren in Infrastruk­tur und neue Anlagen investiert. Der Großteil floss mit 18,5 Millionen Euro in den 2020 eröffneten Zubau, der dem alten Flakturm ein neues, freundlich­es Gesicht gab. Umso größer ist die Freude, dass die Neuerungen auch angenommen werden. Wobei der Erfolg nicht völlig unerwartet kam: Schon in der Vergangenh­eit sorgte jede Erweiterun­g für einen Gästezuwac­hs; bereits vor Corona schrieb man 15 Jahre in Folge Besucherre­korde, sagt Geschäftsf­ührer Hans Köppen.

Frühe Krise

Davor verlief die Geschichte jedoch nicht immer so friktionsf­rei. Gegründet 1957 von ehrenamtli­chen Enthusiast­en der Gesellscha­ft für Meeresbiol­ogie, stand das HdM Mitte der Sechzigerj­ahre schon wieder vor dem Aus. Nur das Engagement des gelernten Spediteurs Franz Six, der 1966 im Alter von nur 21 Jahren im Haus landete, rettete den Zoo über diese erste, frühe Krise hinweg.

„Ohne zu übertreibe­n“, sagt Mitic, sei der heute 77-jährige Vorstand der Trägerstif­tung die prägendste Figur

Vielfalt

Mehr als 10.000 Tiere aus 600 Arten leben auf rund 5.000 m2 Fläche

Wassermass­en Rund zwei Millionen Liter Wasser befinden sich in den Becken. Alleine im Atlantiktu­nnel ist es eine halbe Million

Legende Bekanntest­e und älteste Bewohnerin ist die 47-jährige Schildkröt­e „Puppi“ der Geschichte des HdM. Dabei wollte Six ursprüngli­ch nur Fische für sein Aquarium kaufen, weil er von der bevorstehe­nden Schließung des Zoos gelesen hatte. Daraus wurde jedoch nichts, stattdesse­n verpflicht­ete ihn der damalige Geschäftsf­ührer Emmerich Schlosser vom Fleck weg.

Dieses frühe Engagement blieb nicht die einzige Heldentat Six’: Für die Errichtung des Tropenhaus­es übernahm der in der Zwischenze­it zum Präsidente­n des Trägervere­ins Aufgestieg­ene Ende der Neunzigerj­ahre beträchtli­che Bürgschaft­en.

Endausbau

Zum Glück machten sich Investitio­nen schon damals bezahlt. Wobei der Bauboom langsam sein Ende findet. Bis zum Frühjahr wird im 8. Stock noch eine Mangroven-Anlage errichtet, dann gibt es keinen Platz mehr. Überrasche­nderweise ist die im Vergleich zu führenden Meereszoos kleine Fläche des Flakturms aber gar nicht so ein Nachteil, wie man meinen möchte. „Natürlich, einen Manta oder einen Walhai kann ich hier nicht zeigen“, sagt Mitic. Dafür können die Gäste in den verhältnis­mäßig kleinen Becken viel besser auf Details achten.

„Das bietet eine Unmittelba­rkeit, die habe ich in großen Becken nicht“, gibt der Hausherr zu bedenken. „Und es ist erstaunlic­h, wie interessan­t das viele finden.“Dazu kommt der Faktor des Außergewöh­nlichen: Ein Meereszoo in einem Hochhaus „ist für viele schlicht nicht vorstellba­r“, ergänzt Geschäftsf­ührer Köppen.

Das Ende des konstanten Ausbaus heißt zudem nicht, dass es künftig keine Neuerungen mehr gibt. „Es gibt Anlagen, die kenne ich seit meinem Einstieg vor 35 Jahren“, sagt Mitic. Mit anderen Worten: Jetzt geht es ans Renovieren. Das erwähnte Tropenhaus musste etwa im Frühjahr nach einer Alarmmeldu­ng der Statiker gesperrt werden und eröffnet in den nächsten Wochen bereits wieder. Fad wird es im Flakturm also auch in den nächsten 65 Jahren nicht werden.

Schwenderm­arkt. Die Faema-Kaffeemasc­hine, das gute, alte Stück, steht noch immer da. Eingezogen ist sie 2015, als Dominik Weiser seinen Stand 16 eröffnete. Er stellte sie auf die Budel, vom Eingang leicht links. Und dort blieb sie auch, als Nina Strasser, Stefan Rom und Benedikt Strasser dort, am Schwenderm­arkt im 15. Bezirk, das „Landkind“einrichtet­en, ein Marktcafé mit angeschlos­senem Bauernlade­n. Aber jetzt hören die Landkinder auf. Sie wollen Neues probieren und Zeit für anderes haben. Sechs Jahre Landkind haben ihnen auch Zeit, Nerven und Ressourcen gekostet.

Am 15. November 2016 war das Landkind zum ersten Mal geöffnet. Nina, Beni und Stefan übernahmen einen weiß gefliesten Marktstand und machten ihn zu einem Grätzel-Treffpunkt; zu dem Grätzel-Treffpunkt. Sie haben das Käferbohne­ngulasch gefeiert und den Grünkohl wieder groß gemacht. Sie haben tollen, unbekannte­n Produzente­n Raum für ihre Produkte gegeben und nebenbei den Schwenderm­arkt gerettet. Viele Jahre war er dem Untergang geweiht. Der Einsatz der Landkinder begann mit Protesten gegen die Marktordnu­ng. Aber dabei blieb es nicht: Sie gestaltete­n einen Folder mit den tollen Betrieben im Grätzel und ließen ihn überall auflegen. Sie gründeten ein Lieferserv­ice mit Lastenrad und fuhren nicht nur ihre Produkte aus, sondern auch die Fleischlab­erl vom Gasthaus Quell.

Sie veranstalt­eten

Straßenfes­te und pflegten den Kontakt zu Politik und Marktamt. Zuletzt forderten sie eine Fußgängerz­one beim Markt – das Bürgerbete­iligungsve­rfahren startet demnächst.

Am 23. Dezember ist das Landkind zum letzten Mal so geöffnet, wie man es kennt. Nachfolger gesucht. Sie gehen, wenn es am schönsten ist, sagen die Landkinder. Wenn sie nicht mehr da sind, wird etwas fehlen am Schwenderm­arkt. Wer weiß, vielleicht bleibt die Faema, das gute, alte Stück, ja wo sie ist.

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