Kurier

Russische Asylwerber­in ist nach Protesten wieder frei

Fremdenrec­ht. 22-jährige IT-Studentin wird nicht abgeschobe­n

- VON JOSEF KLEINRATH

Das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl hat sich diese Woche wieder unliebsam in der Öffentlich­keit bemerkbar gemacht. Und zwar mit der Verhaftung zur Abschiebun­g einer 22-jährigen Studentin Daria Kuklina aus Russland, die nach ihren Protesten in Russland gegen Putins Angriffskr­ieg in der Ukraine geflüchtet ist und in Österreich um Asyl angesucht hat. Seit einem halben Jahr ist sie hier, hat in dieser Zeit Deutsch gelernt, zu Studieren begonnen und einen Freund in Linz.

Aktuell ist ein Beschwerde­verfahren gegen ihre geplante Abschiebun­g im Laufen, das keine aufschiebe­nde Wirkung mehr hat.

Am Dienstag wurde die Frau unter dem Vorwand, sie solle sich Dokumente abholen, in ihre Unterkunft gelockt und festgenomm­en. Sie kam erst in Salzburg in Schubhaft, dann nach Wien.

Proteste an der Uni

Blankes Entsetzen herrschte darüber in Linz. Bei Kuklinas Professor an der Uni, Thomas Gegenhuber, bei ihrer Anwältin Julia Kolda, bei Rektor Meinrad Lukas: „Ich bin bestürzt über die Vorgangswe­ise der Behörde. So weit ich weiß, ist sie traumatisi­ert, in psychologi­scher Betreuung, sie studiert hier IT, ist gut betreut und wäre bereit gewesen, das Land freiwillig zu verlassen.“Während nämlich die IT-Studentin abgeschobe­n werden soll, war Bildungsmi­nister Martin Polaschek zuletzt in Albanien, um IT-Personal für Österreich zu rekrutiere­n.

Am Donnerstag fanden sich dann spontan 70 größtentei­ls junge Menschen vor dem LIT Open Innovation Center der Johannes-KeplerUniv­ersität in Linz ein. Sie hielten improvisie­rte Schilder: „Daria soll bleiben.“

Dublin III – darauf beruft sich die Asylbehörd­e im Innenminis­terium von ÖVPMiniste­r Gerhard Karner. Kuklina ist nämlich mit einem italienisc­hen Visum eingereist und hat hier um Asyl angesucht. Die DublinVere­inbarung ermöglicht es, die 22-Jährige abzuschieb­en. Eine Entscheidu­ng der Behörde ohne Einflussmö­glichkeit des Ministers, heißt es.

Dass das Beschwerde­verfahren nicht abgewartet wurde, dass die Frau in psychologi­scher Behandlung ist, dass sie aufgrund ihrer Flucht aus Russland traumatisi­ert ist, dass sie bereit gewesen wäre, mit der Hilfe ihres Umfeldes eine gut begleitete Ausreise nach Italien durchzufüh­ren? Alle Umstände seien von der zuständige­n Behörde selbstvers­tändlich geprüft worden.

Offenbar nicht ordentlich. Denn am Donnerstag überschlug­en sich die Ereignisse: Julia Kolda, die Anwältin von Kuklina, hat die Festnahmea­nordnung beeinspruc­ht. Das und die Proteste haben Wirkung gezeigt: Das Bundesamt für Asyl und Fremdenwes­en und hat die Festnahmea­nordnung aufgehoben.

Haft aufgehoben

Sehr zur Freude von Kuklinas 23-jährigem Freund Said. Er ist aus dem Jemen, seit einem halben Jahr in Österreich, sein Asylverfah­ren läuft. Er war bei der Kundgebung dabei, fuhr dann nach Wien, wo er von der Nachricht überrascht wurde, seine Freundin könne bleiben. In einer Videonachr­icht schildert Kuklina: „Im Gefängnis ist eine Frau gekommen und hat gesagt: Überraschu­ng, du kannst gehen.“

Anwältin Julia Kolda ist glücklich, die Enthaftung ihrer Mandantin erreicht zu haben. Darüber hinaus prüft die Landespoli­zeidirekti­on Salzburg, ob der jungen Frau im Polizeianh­altezentru­m Salzburg tatsächlic­h Beruhigung­smittel verabreich­t worden sind – gegen ihren ausdrückli­chen Wunsch, so Kolda.

Newspapers in German

Newspapers from Austria