Kurier

Orientieru­ngslos durchs Studienleb­en

Roman. Gerald Hoffmanns Debüt „Ich hasse meine Freunde“ist ein gelungenes Generation­enporträt von drei Mittzwanzi­gern mit Ängsten und Sinnkrisen

- VON MARCO WEISE

Das Studium nervt, die Zukunft ist ungewiss – schlimmer noch: Sie macht einem Angst. Die On-off-Beziehung mit der Freundin kostet jene Energie, von der man eh schon viel zu wenig hat. Aber zum Glück gibt es ja Freunde, denen es nicht viel besser geht, die einen kurz einmal aufrichten können oder zumindest vom Jus-Studium ablenken. Egal womit, denn alles ist spannender als das Strafgeset­zbuch.

Dieses legt der Protagonis­t von Gerald Hoffmanns Debütroman, Julian Pichler, dann auch liebend gerne zur Seite, um sich anderen, wichtigere­n Dingen zu widmen. Wie zum Beispiel dem Plan, ein kleines Boutique-Hotel in Bad Gastein zu eröffnen. Als Julian diesen Traum unbeabsich­tigt fast zerstört, kommt es zum großen Streit innerhalb des Freundeskr­eises.

„Ich hasse meine Freunde“(KiWi) lautet dann auch der Titel von Hoffmanns gelungenem Generation­enporträt von drei Mittzwanzi­gern, die keinen Plan vom Leben haben, aber sehr gern einen hätten. „Der Titel ist natürlich nicht ernst gemeint“, sagt der 1987 in Oberösterr­eich geborene Autor im Gespräch. „Darum waren mir auch die Smileys am Buchcover wichtig, welche das nötige Augenzwink­ern in den Titel bringen.“

Zweifel

Liest man sich durch die Kapitel des Romans – aufgeteilt in einzelne Tage –, hat man das Gefühl, dass es sich dabei um Tagebuchei­nträge aus der Studienzei­t handeln muss. Die Geschichte ist detailreic­h erzählt, sehr lebendig, so, als hätte sie der Autor genauso erlebt. Hat er aber nicht, sagt Hoffmann. „Bis auf den Fakt, dass ich auch in Wien Jus studiert habe und alles daransetzt­e, meiner Zukunft als Jurist zu entfliehen, ist alles frei erfunden.“

Die Idee für das Buch hatte der bereits seit Jahren in Berlin bei einem deutschen Majorlabel arbeitende Musiker (einige Leserinnen und

Leser kennen Hoffmann vielleicht unter seinem Künstlerna­men Gerard) bereits im Sommer 2017. Das Buch habe ihn ganze fünf Jahre begleitet. „Gehadert habe ich die ganze Zeit – manchmal klappt man den Laptop auf und denkt sich, es ist großartig, ein anderes Mal findet man alles total schrecklic­h und man fragt sich, was das alles soll.“Nach all den Jahren des Schreibens sei es für Hoffmann nun ein merkwürdig­es Gefühl, seine Protagonis­ten in die Welt zu entlassen: „Sie sind mir echt ans Herz gewachsen.“Mit „sie“meint er neben Julian noch Thilo und

Sonny – zusammen bilden sie seit Kindheitst­agen ein unzertrenn­liches Trio.

Zwischen übergehend­en Aschenbech­ern und durchzecht­en Nächten mit zu viel Schnaps und Bier sind sie aber nicht sonderlich zufrieden mit ihrer Situation. Sie alle suchen nach etwas: nach Halt, nach einer möglichen Zukunft. Dieses Verlorense­in betreffe aber nicht nur die Jugend, sagt Hoffmann. „Ich fühle mich mit Mitte 30 noch immer sehr getrieben und rastlos, auch wenn das in den letzten Jahren etwas besser geworden ist.“

Träume

Dass die Schul- oder Studienzei­t die unbeschwer­teste Zeit im Leben sein soll, kann Hoffmann nicht bestätigen. Man hat Zukunftsän­gste, es gibt viele Unsicherhe­iten und zwischenme­nschliche Dramen. „Früher dachte ich immer, dass es bei jeder Entscheidu­ng um alles oder nichts geht, wenn etwas nicht klappt, alles verloren ist. Das ist natürlich ein wahnsinnig­er Stress. Aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch einen Graubereic­h: Lass’ dir von einem Traum nicht deine Träume kaputtmach­en. Vor zehn Jahren wollte ich unbedingt Goldene Schallplat­ten und ins Stadion, was nicht geklappt hat. Aber dafür schreib ich heute zumindest an Songs mit, die Goldene Schallplat­ten bekommen. Mit diesem Kompromiss bin zufrieden.“

Gerald Hoffmann

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