Orientierungslos durchs Studienleben
Roman. Gerald Hoffmanns Debüt „Ich hasse meine Freunde“ist ein gelungenes Generationenporträt von drei Mittzwanzigern mit Ängsten und Sinnkrisen
Das Studium nervt, die Zukunft ist ungewiss – schlimmer noch: Sie macht einem Angst. Die On-off-Beziehung mit der Freundin kostet jene Energie, von der man eh schon viel zu wenig hat. Aber zum Glück gibt es ja Freunde, denen es nicht viel besser geht, die einen kurz einmal aufrichten können oder zumindest vom Jus-Studium ablenken. Egal womit, denn alles ist spannender als das Strafgesetzbuch.
Dieses legt der Protagonist von Gerald Hoffmanns Debütroman, Julian Pichler, dann auch liebend gerne zur Seite, um sich anderen, wichtigeren Dingen zu widmen. Wie zum Beispiel dem Plan, ein kleines Boutique-Hotel in Bad Gastein zu eröffnen. Als Julian diesen Traum unbeabsichtigt fast zerstört, kommt es zum großen Streit innerhalb des Freundeskreises.
„Ich hasse meine Freunde“(KiWi) lautet dann auch der Titel von Hoffmanns gelungenem Generationenporträt von drei Mittzwanzigern, die keinen Plan vom Leben haben, aber sehr gern einen hätten. „Der Titel ist natürlich nicht ernst gemeint“, sagt der 1987 in Oberösterreich geborene Autor im Gespräch. „Darum waren mir auch die Smileys am Buchcover wichtig, welche das nötige Augenzwinkern in den Titel bringen.“
Zweifel
Liest man sich durch die Kapitel des Romans – aufgeteilt in einzelne Tage –, hat man das Gefühl, dass es sich dabei um Tagebucheinträge aus der Studienzeit handeln muss. Die Geschichte ist detailreich erzählt, sehr lebendig, so, als hätte sie der Autor genauso erlebt. Hat er aber nicht, sagt Hoffmann. „Bis auf den Fakt, dass ich auch in Wien Jus studiert habe und alles daransetzte, meiner Zukunft als Jurist zu entfliehen, ist alles frei erfunden.“
Die Idee für das Buch hatte der bereits seit Jahren in Berlin bei einem deutschen Majorlabel arbeitende Musiker (einige Leserinnen und
Leser kennen Hoffmann vielleicht unter seinem Künstlernamen Gerard) bereits im Sommer 2017. Das Buch habe ihn ganze fünf Jahre begleitet. „Gehadert habe ich die ganze Zeit – manchmal klappt man den Laptop auf und denkt sich, es ist großartig, ein anderes Mal findet man alles total schrecklich und man fragt sich, was das alles soll.“Nach all den Jahren des Schreibens sei es für Hoffmann nun ein merkwürdiges Gefühl, seine Protagonisten in die Welt zu entlassen: „Sie sind mir echt ans Herz gewachsen.“Mit „sie“meint er neben Julian noch Thilo und
Sonny – zusammen bilden sie seit Kindheitstagen ein unzertrennliches Trio.
Zwischen übergehenden Aschenbechern und durchzechten Nächten mit zu viel Schnaps und Bier sind sie aber nicht sonderlich zufrieden mit ihrer Situation. Sie alle suchen nach etwas: nach Halt, nach einer möglichen Zukunft. Dieses Verlorensein betreffe aber nicht nur die Jugend, sagt Hoffmann. „Ich fühle mich mit Mitte 30 noch immer sehr getrieben und rastlos, auch wenn das in den letzten Jahren etwas besser geworden ist.“
Träume
Dass die Schul- oder Studienzeit die unbeschwerteste Zeit im Leben sein soll, kann Hoffmann nicht bestätigen. Man hat Zukunftsängste, es gibt viele Unsicherheiten und zwischenmenschliche Dramen. „Früher dachte ich immer, dass es bei jeder Entscheidung um alles oder nichts geht, wenn etwas nicht klappt, alles verloren ist. Das ist natürlich ein wahnsinniger Stress. Aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch einen Graubereich: Lass’ dir von einem Traum nicht deine Träume kaputtmachen. Vor zehn Jahren wollte ich unbedingt Goldene Schallplatten und ins Stadion, was nicht geklappt hat. Aber dafür schreib ich heute zumindest an Songs mit, die Goldene Schallplatten bekommen. Mit diesem Kompromiss bin zufrieden.“
Gerald Hoffmann