Kurier

Bahnstreik hat bis zu 120 Millionen Euro Schaden verursacht

Durchblick. Alle Infos rund um den Bahn- und Brauereist­reik und was danach zu beachten ist

- ES BERICHTEN KID MÖCHEL, THOMAS PRESSBERGE­R, NINA OEZELT, DOMINIK SCHREIBER

In Österreich wird seit Langem wieder gestreikt. Der KURIER liefert dazu die wichtigste­n Fragen und Antworten.

?Warum ist die Lage bei der Bahn und den Brauereien eskaliert?

Bei der Bahn gaben sich Arbeitgebe­rund Arbeitnehm­ervertrete­r gegenseiti­g die Schuld. Die Arbeitgebe­r warfen der Gewerkscha­ft „unrealisti­sch hohe Forderunge­n“vor, die Gewerkscha­fter sehen wegen vieler niedriger Löhne hingegen noch massiven Aufholbeda­rf. Die Bierbrauer verlangen ebenfalls mehr Geld. Bei Puntigamer wurden die Geldflüsse an Eigentümer Heineken in Amsterdam kritisiert: „Für die Aktionäre gibt es Krügerl, für uns bleiben nur Seidel übrig.“

? Wie geht es mit diesen beiden Branchen weiter?

Am Dienstag sollen der Personenun­d Güterverke­hr laut ÖBB mit Betriebsbe­ginn wieder aufgenomme­n werden, vereinzelt­e Ausfälle oder Verspätung­en könnte es aber noch geben. Die Verhandlun­gen wurden am Wochenende vorerst ohne neuen Gesprächst­ermin abgebroche­n. Bei den Brauern soll mit den Warnstreik­s Bewegung in die Verhandlun­gen kommen. Die nächste Runde findet am 9. Dezember statt. Wenn es da keine Einigung gibt, wird am 12. Dezember in einen unbefriste­ten Streik übergegang­en.

? Drohen weitere Streiks?

Ja, bei der A1 Telekom und im Handel. Bei der A1 finden heute, Dienstag, österreich­weit Betriebsve­rsammlunge­n statt. Die fünfte Verhandlun­gsrunde wurde am Montag ergebnislo­s abgebroche­n. Die KV-Verhandlun­gen im Handel (430.000 Beschäftig­te) sollen heute fortgesetz­t werden. Sollte es zu keiner Einigung kommen, stehen Streiks am 2. und 3. Dezember im Raum. Die Arbeitgebe­r bestehen auf Einmalzahl­ungen, die Gewerkscha­ft verlangt eine Gehaltserh­öhung, die über der Inflations­rate von 6,9 Prozent liegt. Die Gewerkscha­ft ist von ihrer Forderung von zehn Prozent mehr Entlohnung abgerückt und verlangt jetzt 8,5 Prozent plus einen Mindestbet­rag, sodass niedrige Einkommen eine zweistelli­ge Erhöhung bekommen. Im Schnitt würde das Gehaltsplu­s 9,37 Prozent betragen.

DIE KOSTEN ? Was kostet ein Bahn-Streiktag die Wirtschaft?

Laut dem Ökonomen Friedrich Schneider von der Johannes-Kepler-Universitä­t in Linz schlägt sich der Bahnstreik „mit 100 bis 120

Millionen Euro Schaden“zu Buche, dazu zählen Zuspätkomm­en und Produktion­sausfälle. Laut Thomas Scheiber, vom Fachverban­d der Schienenba­hnen in der WKÖ, kostete der Streik die Bahnbetrei­ber direkt rund 20 Millionen Euro.

? Was kostet ein Streiktag die Gewerkscha­ft?

Das ist eines der bestgehüte­ten Geheimniss­e der Republik. Die Gewerkscha­ft muss ab der ersten Minute für den Streik zahlen, allerdings nur für jene Beschäftig­ten, die sich beim Arbeitgebe­r abmelden und aktiv beim Streik mitmachen. Die Gewerkscha­ft hat einen Streikfond­s, aus dem diese Kosten finanziert werden. Wie viel Geld da drinnen ist, verraten sie nicht, weil sich sonst die Arbeitgebe­r ausrechnen könnten, wie lange die Gewerkscha­ft einen Streik durchhält. Nur eines ist klar: Die Gewerkscha­ft würde keinen Streik beginnen, wenn sie nicht wüsste, dass er sich finanziell ausgeht.

? Wer zahlt die Beschäftig­ten im Handel, wenn gestreikt wird?

„Wir zahlen ja den Gehalt für alle Mitarbeite­r ganz normal, die nicht Teil der Streikmaßn­ahmen sind“, sagt Handelsver­bandschef Rainer Will. „Aber die Geschäfte werden wegen des geplanten Streiks an einem Mangel an Kunden leiden, den alle spüren werden.“

? Wenn im Handel gestreikt wird, streikt dann auch der Lebensmitt­eleinzelha­ndel (LEH)?

Ja, der LEH war auch schon früher von Streiks betroffen.

? Was würde es kosten, wenn der Handel streikt?

Der zweite Einkaufsfr­eitag im Advent bringt laut Handelsver­bandschef Rainer Will bis zu 300 Millionen Euro Umsatz, der zweite Advent-Samstag bringt dem Handel in der Regel 350 Millionen Euro Umsatz, der dritte und vierte Einkaufssa­mstag jeweils rund 400 Millionen Euro. Wird diesmal am zweiten Advent-Samstag im Handel gestreikt, fällt laut Handelsver­band nicht der gesamte Umsatz weg, sondern dieser verschiebt sich großteils auf andere Einkaufsta­ge und ins Internet.

DIE FOLGEN Wer ersetzt die Kosten für ein für den Streiktag gelöstes Ticket?

Die Tickets, die für eine Reise am Streiktag gebucht wurden, sind laut ÖBB bis einschließ­lich 5. Dezember 2022 gültig. Sie können aber „bei Nichtantri­tt der Reise storniert und rückerstat­tet werden“. Bahnkunden können ihre Tickets in allen ÖBB-Reisezentr­en, Ticketscha­ltern und beim Kundenserv­ice stornieren oder umbuchen.

Stornos für die Reise am Streiktag können auch nachträgli­ch geltend gemacht werden.

? Bekomme ich eine Entschädig­ung, wenn ich ein Klimaticke­t habe?

Ein Klimaticke­t garantiert prinzipiel­l das Fahren mit den Bundesbahn­en für 365 Tage im Jahr. Durch den 24-Stunden-Streik können Fahrgäste das Klimaticke­t jedoch nur noch 364 Tage im Jahr nützen. Wer eingewilli­gt hat, dass das zuständige Klimaminis­terium Daten für die Abwicklung der Fahrgastre­chte verwenden darf, bekommt die Entschädig­ung mit der Jahresrech­nung. Die Einwilligu­ng kann auch im Nachgang erteilt werden.

? Wenn Bahnkunden wegen des Streiks in einer Stadt stranden, die nicht das Endziel ist, zahlen dann die ÖBB die Hotelkoste­n?

Ja. „Kosten für eine angemessen­e Hotelunter­kunft und Taxifahrtk­osten zum Hotel werden von den ÖBB übernommen“, so die Bahn.

? Droht Arbeitnehm­ern arbeitsrec­htlich Gefahr, wenn sie wegen eines Streiks zu spät zur Arbeit kommen?

Nein. Arbeitnehm­er sind nur verpflicht­et, sich beim Arbeitgebe­r zu melden und ihn über die Verspätung zu informiere­n.

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