Kurier

Demokratie verliert drastisch an Vertrauen

Krisen als Ursache, immer mehr wünschen sich einen „starken Führer“

- MICHAEL HAMMERL

SORA-Studie. Pandemie, Korruption­svorwürfe, UkraineKri­eg und Inflation: Wie wirken sich die Krisen auf das Vertrauen in Österreich­s Demokratie aus?

Um das zu erheben, wird seit 2018 der „Demokratie Monitor“durchgefüh­rt. Die Befragung für 2022 zeigt: Die Zufriedenh­eit mit dem politische­n System ist im Sinkflug.

„Es ist ein relativ dramatisch­es Bild einer fünfjährig­en Periode, wo eine Krise auf die andere gefolgt ist“, sagt Günther Ogris, Geschäftsf­ührer des SORA-Instituts, bei der Präsentati­on der Ergebnisse.

2018 waren noch 64 Prozent der Bevölkerun­g sehr oder ziemlich zufrieden mit dem politische­n System. 2022 sind es nur noch 34 Prozent.

„Heuer haben wir den Tiefpunkt noch einmal unterschri­tten“, sagt Projektlei­terin Martina Zandonella, die „multiple Krisen“für den Vertrauens­verlust verantwort­lich macht. Dieser trifft auch politische Institutio­nen.

Der Regierung vertrauen nur 33, dem Parlament 38 und dem Bundespräs­identen 53 Prozent. Relativ konstant blieb hingegen das Vertrauen in Behörden, Justiz und Polizei. „Der Vertrauens­verlust betrifft praktisch ausschließ­lich demokratis­ch gewählte Organe“, sagt Zandonella.

2018 fanden nur 13 Prozent der Österreich­er, dass keine Partei ihre politische­n Anliegen vertritt. Mittlerwei­le sind es 38 Prozent. Als ihr dringendst­es politische­s Anliegen

nennen die meisten Menschen die Teuerung, gefolgt von ökonomisch­er Ungleichhe­it, dem Klimawande­l, dem Ukraine-Krieg sowie Zuwanderun­g und Integratio­n.

Autoritäre Tendenzen

Kaum jemand verspürt Zuversicht, dass die Politik die Krisen lösen kann – Sorge und Ärger überwiegen. Die Erhebung wurde kurz nach Bekanntwer­den des Antrags auf Kronzeugen­status von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid abgeschlos­sen. Diese Causa hatte also keine Auswirkung­en auf die Studie. Dennoch stimmte zum Zeitpunkt der Befragung eine Mehrheit (59 Prozent) der Aussage zu, dass „Politik und Medien unter einer Decke stecken“. Ogris schlussfol­gert in diesem Zusammenha­ng, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz das Vertrauen in die Demokratie nachhaltig beschädigt habe. Kurz habe Erlösungsh­offnungen geweckt und diese nicht halten können. Im Übrigen reagieren Befragte auf den „starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“erstmals seit Erhebungsb­eginn nicht mehrheitli­ch ablehnend.

Lag die Ablehnung vor einem Jahr noch bei 56 Prozent, liegt sie derzeit bei 46. 26 Prozent wünschen sich einen „starken Führer“.

Gleichzeit­ig hat die Demokratie nicht an Zustimmung verloren: Neun von zehn Menschen halten sie für die beste Staatsform. Eine Diktatur wünschen sich nur sechs Prozent.

Gestiegen sind autoritäre Demokratie­vorstellun­gen – etwa nach dem Vorbild illiberale­r Demokratie­n wie Ungarn. „Wir müssen uns als Politik und als Gesellscha­ft dringend überlegen, wie wir Konflikte angehen“, sagt Zandonella. Derzeit laufe „alles auf Polarisier­ung und Spaltung hinaus“. Die Opposition machte die Regierung für das schlechte Ergebnis verantwort­lich.

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