Demokratie verliert drastisch an Vertrauen
Krisen als Ursache, immer mehr wünschen sich einen „starken Führer“
SORA-Studie. Pandemie, Korruptionsvorwürfe, UkraineKrieg und Inflation: Wie wirken sich die Krisen auf das Vertrauen in Österreichs Demokratie aus?
Um das zu erheben, wird seit 2018 der „Demokratie Monitor“durchgeführt. Die Befragung für 2022 zeigt: Die Zufriedenheit mit dem politischen System ist im Sinkflug.
„Es ist ein relativ dramatisches Bild einer fünfjährigen Periode, wo eine Krise auf die andere gefolgt ist“, sagt Günther Ogris, Geschäftsführer des SORA-Instituts, bei der Präsentation der Ergebnisse.
2018 waren noch 64 Prozent der Bevölkerung sehr oder ziemlich zufrieden mit dem politischen System. 2022 sind es nur noch 34 Prozent.
„Heuer haben wir den Tiefpunkt noch einmal unterschritten“, sagt Projektleiterin Martina Zandonella, die „multiple Krisen“für den Vertrauensverlust verantwortlich macht. Dieser trifft auch politische Institutionen.
Der Regierung vertrauen nur 33, dem Parlament 38 und dem Bundespräsidenten 53 Prozent. Relativ konstant blieb hingegen das Vertrauen in Behörden, Justiz und Polizei. „Der Vertrauensverlust betrifft praktisch ausschließlich demokratisch gewählte Organe“, sagt Zandonella.
2018 fanden nur 13 Prozent der Österreicher, dass keine Partei ihre politischen Anliegen vertritt. Mittlerweile sind es 38 Prozent. Als ihr dringendstes politisches Anliegen
nennen die meisten Menschen die Teuerung, gefolgt von ökonomischer Ungleichheit, dem Klimawandel, dem Ukraine-Krieg sowie Zuwanderung und Integration.
Autoritäre Tendenzen
Kaum jemand verspürt Zuversicht, dass die Politik die Krisen lösen kann – Sorge und Ärger überwiegen. Die Erhebung wurde kurz nach Bekanntwerden des Antrags auf Kronzeugenstatus von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid abgeschlossen. Diese Causa hatte also keine Auswirkungen auf die Studie. Dennoch stimmte zum Zeitpunkt der Befragung eine Mehrheit (59 Prozent) der Aussage zu, dass „Politik und Medien unter einer Decke stecken“. Ogris schlussfolgert in diesem Zusammenhang, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz das Vertrauen in die Demokratie nachhaltig beschädigt habe. Kurz habe Erlösungshoffnungen geweckt und diese nicht halten können. Im Übrigen reagieren Befragte auf den „starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“erstmals seit Erhebungsbeginn nicht mehrheitlich ablehnend.
Lag die Ablehnung vor einem Jahr noch bei 56 Prozent, liegt sie derzeit bei 46. 26 Prozent wünschen sich einen „starken Führer“.
Gleichzeitig hat die Demokratie nicht an Zustimmung verloren: Neun von zehn Menschen halten sie für die beste Staatsform. Eine Diktatur wünschen sich nur sechs Prozent.
Gestiegen sind autoritäre Demokratievorstellungen – etwa nach dem Vorbild illiberaler Demokratien wie Ungarn. „Wir müssen uns als Politik und als Gesellschaft dringend überlegen, wie wir Konflikte angehen“, sagt Zandonella. Derzeit laufe „alles auf Polarisierung und Spaltung hinaus“. Die Opposition machte die Regierung für das schlechte Ergebnis verantwortlich.