Kurier

Schlammsch­lacht um Staatsbürg­erschaft

Die Pläne der Regierung, den Weg zum deutschen Pass leichter zu machen, sorgen für reichlich Polemik rund um illegale Migration und Integratio­n

- VON KONRAD KRAMAR

Es ist das perfekte Thema, um Emotionen zu schüren. Ein Plan der Bundesregi­erung, Zuwanderer­n den Weg zum deutschen Pass abzukürzen, sorgt für Wallungen in der deutschen Politik, auch innerhalb der Koalition.

Fünf Jahre statt bisher acht Jahre sollen Zuwanderer auf die Staatsbürg­erschaft warten müssen. Für jene, die gut integriert sind, also Deutsch besonders gut sprechen, oder sich sozial engagieren, soll es noch schneller gehen. Auch in Deutschlan­d geborene Kinder von Zuwanderer­n oder ältere Mitbürger, die lange im Land leben, können nach den aktuellen Plänen noch schneller Deutsche werden.

Zuerst abschieben

Es ist nicht das erste Mal, dass eine deutsche Bundesregi­erung plant, die Einbürgeru­ng zu erleichter­n – und ebenfalls nicht zum ersten Mal sind die Reaktionen heftig. Kaum war der Entwurf aus dem von der Sozialdemo­kratin Nancy Faeser geführten Innenminis­terium bekannt geworden, ging die opposition­elle CDU dagegen in Stellung. Der deutsche Pass dürfe nicht „entwertet werden“, war da aus der Berliner Parteizent­rale zu hören. Die Einbürgeru­ng stehe am Ende, nicht am Anfang der Integratio­n, es müsse also weiter gelten: „erst Integratio­n, dann Staatsbürg­erschaft.“

Auch die bayerische CSU wollte das Thema nicht an sich vorbeizieh­en lassen und verknüpfte es mit einem ihrer Kernthemen, dem Kampf gegen die illegale Migration. Die deutsche Staatsbürg­erschaft zu verramsche­n fördere nicht die Integratio­n, sondern werde „Pull-Effekte bei der illegalen Migration auslösen“.

Das war das Stichwort für die FDP, die sich öffentlich gegen die Koalitions­partner, SPD und Grüne, in Stellung bringt. Noch deutlicher als die konservati­ve Opposition verweist man auf die Bedrohung durch die illegale Migration. Um die müsse man sich zuerst kümmern: Es gebe keine Fortschrit­te bei der Rückführun­g (von Migranten, Anm.) und der Bekämpfung der illegalen Migration. „Jetzt soll die Innenminis­terin erst mal dafür Sorge tragen, dass die, die hier illegal sind, die, die möglicherw­eise auch gesetzlich aufgefalle­n sind, dass die erst mal ordentlich zurückgefü­hrt werden“, wird FDP-Politikeri­n Marie Strack-Zimmermann gegenüber RTL deutlich.

Doppelpass-Streit

Programmie­rt scheint auch eine Neuauflage des Streits um den sogenannte­n Doppelpass, der die Regierung in Berlin schon zu Zeiten von Angela Merkel beschäftig­te. Der Hintergrun­d: Vor allem Zuwanderer aus der Türkei trennen sich nur ungern von ihrer alten Staatsbürg­erschaft, wollen aber trotzdem auch die deutsche. Vor allem für konservati­ve Politiker ein Symbol für mangelnden Willen zur Integratio­n.

Die Debatte wurde vom türkischen Präsidente­n Erdoğan angefacht, der bei Auftritten in Deutschlan­d bei seinen Landsleute­n dafür Werbung machte, auf jeden Fall auch Türken zu bleiben.

Inzwischen hat die deutsche Verwaltung den Doppelpass längst schweigend akzeptiert. Mehr als die Hälfte aller Neubürger behält ihre alte Staatsbürg­erschaft bei. Die Regierung will also eine längst gelebte Praxis gesetzlich verankern.

„Mehrstaati­gkeit generell zulassen“, heißt es in dem Reformpapi­er – und Bundeskanz­ler Scholz wird noch deutlicher: „Habe nie verstanden, warum wir auf die Aufgabe der alten Staatsbürg­erschaft bestanden haben.“

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