Kurier

Das politische Spiel hinter dem Sport

Der Iran und die USA sind seit Jahren Erzfeinde, auf dem grünen Rasen will man sich beim heutigen Duell aber auf den Fußball konzentrie­ren. Schon am Montagaben­d kam es zu einem Geplänkel

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

„Ich gehe davon aus, dass das Spiel hart umkämpft sein wird“, sagte US-Coach Gregg Berhalter am Montagaben­d. „Aber weil wir beide weiterkomm­en wollen und nicht, weil es um Politik oder die Beziehung zwischen unseren Ländern geht.“Das Schöne am Fußball sei, dass er Menschen auf der ganzen Welt durch die gemeinsame Liebe zum Sport verbinde.

Dennoch war bei der jetzt schon denkwürdig­en Pressekonf­erenz nicht zu leugnen, dass es beim Duell USA gegen Iran doch um mehr als nur ein Spiel geht. Berhalter und sein Kapitän Tyler Adams wurden von Reportern aus dem Iran unter anderem zu Rassismus in den USA, VisaRegelu­ngen für den Iran und zu Militärang­elegenheit­en befragt.

Politische Spannungen

Die Lage ist nicht nur sportlich brisant, sondern auch politisch. Im Jahr 1979 wurde der Schah in der iranischen Revolution gestürzt und durch Ajatollah Chomeini und die islamische Republik ersetzt. Diese bestreitet das Existenzre­cht des Staates Israel, weshalb dessen engster Unterstütz­er USA auch ein Erzfeind ist.

In Frankreich vor 24 Jahren wurde das erste WM-Duell zu einem Freundscha­ftstreffen. Als Zeichen einer Versöhnung. 2022 in Katar ist das politische Verhältnis zwischen den beiden Staaten nicht viel besser, aber im Iran hat man andere Sorgen. Die Proteste im eigenen Land bewegen mehr als der Erzfeind.

Der es bei der jungen Bevölkerun­g des Iran ja nicht mehr ist. Sie sehen über Social Media das Leben in den USA, sehen, was es bedeutet, in Freiheit zu leben. Die Jugend ist offen und aufgeschlo­ssen, fast alle sprechen gut Englisch.

Bei der WM in Katar wird nun versucht, den Blick auf das Sportliche zu lenken. Carlos Queiroz, der portugiesi­sche Teamchef, hofft, „dass beide Teams in der Lage sind, eine große Show abzuliefer­n“.

Vor dem Auftaktspi­el gegen England hatten die Spieler die iranische Hymne nicht mitgesunge­n. Das war als stiller Protest gewertet worden. Und es hatte weit mehr Resonanz erzeugt, als das Bild eines iranischen Frauen-Basketball­teams, auf dem alle Spielerinn­en den Hijab abgelegt hatten, die Kopfbedeck­ung, die sogar bei Turnieren und Spielen im Ausland Vorschrift ist.

Die Spieler in Katar stehen unter enormem Druck. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass ihre Familien unter Aufsicht gestellt wurden. Lieblingsm­ethode ist, Menschen mit Verwandten zu erpressen. Auch Fußballsta­rs sind nicht vor Repression­en gefeit. So wurde der ehemalige Teamspiele­r Voria Ghafouri verhaftet. Ob der 35-Jährige mittlerwei­le wieder frei ist, ist unklar. Wegen seiner öffentlich­en politische­n Äußerungen war er von seinem Klub Esteghlal Teheran entlassen worden.

Mutig

Ali Daei ist eines der großen Fußball-Idole des Landes, aber auch ein großer Kritiker der aktuellen Zustände. Im September solidarisi­erte sich der 53-Jährige in den Sozialen Netzwerken mit den landesweit­en, vornehmlic­h von Frauen getragenen Protesten infolge des gewaltsame­n Todes von Mahsa Amini. Ali Daei ist mit seiner Familie weiter im Land – mittlerwei­le soll ihm aber schon der Pass entzogen worden sein.

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