Kurier

Die Einbrecher sind zurück

Durch Lockdowns fanden in Österreich lange kaum Wohnraumei­nbrüche statt. Das änderte sich vergangene­n Herbst schlagarti­g, die Zahlen schießen in die Höhe. Was die Polizei in der Pandemie gelernt hat

- VON MARKUS STROHMAYER

Draußen war es stockfinst­er, im Fernsehen lief ein Ländermatc­h und Hannes E. hatte es sich gerade auf der Couch gemütlich gemacht. Er wartete auf ein Tor, doch der österreich­ischen Nationalel­f wollte kein Treffer gelingen. Die Partie plätschert­e vor sich hin, vielleicht deshalb nahm er das Knacken und Knarren im Vorraum seiner Wiener Wohnung überhaupt wahr.

Als er nachschaut­e, bewegte sich die Klinke der Eingangstü­r. Intuitiv griff er hin. Im selben Moment ging die Wohnungstü­r auf: „Vor mir standen zwei dunkel gekleidete Männer, die genauso baff waren wie ich. Eine Sekunde später rannten sie aus dem Stiegenhau­s“, erinnert sich der damals 31-Jährige an den Einbruchsv­ersuch, der jetzt einige Jahre zurücklieg­t.

Vorfälle wie diesen gab es in Österreich in den vergangene­n Jahren kaum. „Während Corona hatten wir Tage ohne einen einzigen Einbruch“, gibt Hans-Peter Seidl, Leiter des Referats Einbruchsd­iebstahl im Bundeskrim­inalamt, zu bedenken. Doch nach der Pandemie ist die Normalität in vielen Bereichen wieder eingekehrt – und damit sind auch die Einbrecher zurück.

Schneller Anstieg

Zwar gab es 2022 laut Kriminalst­atistik weniger Wohnraumei­nbrüche als noch 2019 (siehe Grafik). Allerdings beobachtet die Polizei eine Häufung der Dämmerungs­einbrüche zum Jahresende: „Wir hatten bis Februar 2022 Corona-Einschränk­ungen. Richtig losgegange­n ist es erst im November letztes Jahr. Wenn man sich nur den Beginn der Dämmerungs­saison, also November und Dezember 2019, anschaut und den Zeitraum mit 2022 vergleicht, sehen wir im abgelaufen­en Jahr sogar einen Anstieg“, erklärt Seidl die Abweichung von der aktuellen Kriminalst­atistik.

Es könnte sich um einen Nachholeff­ekt handeln, denn laut dem Kriminalis­ten reagieren die Einbrecher­banden auf steigende Lebenskost­en. Die wiedergewo­nnene Reisefreih­eit erleichter­e das – speziell für die Profis.

Die Polizei konnte in der Pandemie einiges über die Kriminelle­n lernen: So sind Kellereinb­rüche während Corona in gewohnter Manier weitergega­ngen bzw. gestiegen, als der Handel zusperren musste und Ladendiebs­tähle nicht möglich waren. „Wir schließen daraus, dass die Täter im Land leben und aus Not handeln“, sagt Seidl.

Anders sei das bei den Profis, speziell jenen, die sich auf die Dämmerung konzentrie­ren. „Diese Delikte haben quasi nicht stattgefun­den, als die Grenzen geschlosse­n waren. Jetzt steigen sie massiv. Die Täter sind Reisende.“

Latente Angst

Dass diese Tätergrupp­e zurück ist, musste die 39-jährige Beate H. unlängst erfahren. Sie war auf Skiurlaub, als Einbrecher ein Fenster ihrer Erdgeschoß­wohnung

in WienWährin­g einschluge­n.

Sie entkamen mit etwas Bargeld sowie Schmuck, der eher sentimenta­len Wert hatte. Die größere Herausford­erung sei es gewesen, sich vor ihren Kindern keine Verunsiche­rung anmerken zu lassen: „Wir haben ihnen erzählt, was passiert ist. Mein kleiner Sohn fühlt sich seitdem manchmal unwohl vor dem Schlafenge­hen. Er will nicht, dass es abends dunkel wird.“

Für Kriminalis­t Seidl ein typischer Fall. Ihm zufolge sind die Täter in erster Linie auf Geld und Schmuck aus. Technik sei problemati­sch, da viele Gegenständ­e mittlerwei­le ortbar sind. Auch das

Unwohlsein nach dem Einbruch überrascht den erfahrenen Ermittler nicht: „Es geht meistens nicht so sehr um die finanziell­en Verluste, sondern um das Gefühl, dass jemand in die Privatsphä­re eingedrung­en ist, in das eigene Reich sozusagen. Das macht was mit den Menschen. Wir hatten Opfer, die sind danach umgezogen.“

Seidl, der diese latente Angst nachvollzi­ehen kann, gibt Entwarnung. Einbrecher seien so gut wie nie bewaffnet. „Die wollen rein, Beute mitnehmen und unentdeckt wieder raus.“Danach geht es häufig weiter ins nächste Land. Jahrelange Erfahrungs­werte der Kriminalis­ten zeigen, dass viele Banden aus dem Osten sich Routen zurechtleg­en. Österreich ist dabei nicht selten das erste Ziel.

Derzeit sind es vor allem georgische Banden, die Ermittler auf Trab halten. Georgier brauchen seit 2017 kein Visum mehr für den Schengenra­um. Das rufe Kriminelle auf den Plan, die – unabhängig von ihrem Herkunftsl­and – immer einfallsre­icher werden. Allein im Großraum Wien gab es zuletzt zwei spektakulä­re Serien. Eine Tätergrupp­e verätzte Schlösser, die andere kletterte auf Balkone.

Seidl betont aber, dass die Polizei gut dagegenhäl­t. Das zeige auch der über die Jahre starke Rückgang bei den Einbrüchen. „Wir versorgen die Kollegen laufend mit aktuellen Lagebilder­n. Jeder Polizist weiß, wo was wann war.“Außerdem gebe es keinen Tatort mehr ohne Spurensich­erung. Und: „Irgendwelc­he Spuren hinterläss­t sogar der beste Einbrecher.“

„Dämmerungs­einbrüche haben quasi nicht stattgefun­den, während die Grenzen geschlosse­n waren.“Hans-Peter Seidl Bundeskrim­inalamt LPD STEIERMARK

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