Kurier

Umstritten­e Nebenjobs

Justiz. Im Unterschie­d zu vergleichb­aren Höchstgeri­chten haben Richter am Verfassung­sgerichtsh­of kein Berufsverb­ot, sie dürfen weiter als Anwälte und Professore­n arbeiten. Das wird zunehmend zum Problem

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Nachdem der Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs, Christoph Grabenwart­er, vergangene Woche in einem Interview angeregt hat, die Nebenjobs von Verfassung­srichtern zu hinterfrag­en, mehren sich die Stimmen, die diese Idee unterstütz­en.

Christoph Bezemek, Dekan der Rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Uni Graz, plädiert ebenfalls dringend für eine Reform-Debatte – etwa gestützt auf die Arbeit einer Expertenko­mmission.

„Die Nebenbesch­äftigungen sind hinterfrag­enswert“, sagt Bezemek zum KURIER. Im internatio­nalen Vergleich handle es sich um eine bestenfall­s „auffällige Tradition“.

Prominente

Entzündet hat sich die Diskussion zuletzt an Michael Rami: Der Verfassung­srichter ist im Hauptberuf Rechtsanwa­lt und vertritt immer wieder prominente Mandanten wie Ex-FPÖChef Heinz-Christian Strache oder den unter Missbrauch­sverdacht stehenden Schauspiel­er Florian Teichtmeis­ter.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Rami als Rechtsanwa­lt in der Öffentlich­keit parteiisch auftritt.

Genau das „beißt“sich mit seiner Rolle als Höchstrich­ter. Diese wären im Selbstvers­tändnis des VfGH in der Öffentlich­keit mit maximaler Zurückhalt­ung verbunden. „Dabei ist der VfGH allerdings auf die natürliche Einsichtsf­ähigkeit der Einzelnen angewiesen“, sagt Bezemek – und genau hier hakt es.

Denn was die Zurückhalt­ung angeht, sieht VfGH-Präsident Grabenwart­er bei seinem Kollegen offensicht­lich noch Luft nach oben. Zur Kleinen Zeitung sagte er, man habe „mehrfach versucht, den Kollegen Rami zu mehr öffentlich­er Zurückhalt­ung in der Ausübung des Anwaltsber­ufs zu bewegen“. Er hegt die Hoffnung, „dass dies nicht ohne Wirkung bleiben wird“.

Zur Rechtslage ist zu sagen: Rein grundsätzl­ich dürfen Universitä­tsprofesso­ren, Rechtsanwä­lte und Richter weiter ihren Beruf ausüben, wenn sie als Richter in den VfGH berufen werden.

Die Problemati­k dieses „Doppeljobs“trifft längst nicht nur Michael Rami.

Auch die Arbeitsrec­htsexperti­n Sieglinde Gahleitner oder der Rechtsanwa­lt Christoph Herbst gehören als Richter dem VfGH an und arbeiten weiter in ihren angestammt­en Berufen.

Rechtsanwa­lt Werner Suppan ist nicht nur VfGH-Ersatzmitg­lied, sondern vertritt beispielsw­eise auch mehrere ÖVP-Politiker in Causen, die – etwa im Zuge des U-Ausschusse­s – schon vor dem VfGH gelandet sind oder künftig noch dort landen könnten.

Grünes Licht

Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) hätte kein Problem damit, die Nebentätig­keiten von Verfassung­srichtern zu hinterfrag­en. Und auch Opposition­sparteien wie die Neos sprechen sich für eine „ergebnis-offene Debatte“aus. Immerhin seien die Aufgaben des Höchstgeri­chts nicht mit denen zu vergleiche­n, die die Institutio­n in den 1920ern hatte.

Einer der Gründe, warum die Nebentätig­keit von VfGHRichte­rn bislang oft angesproch­en aber nicht geändert wurde, ist der, dass eine Reform bzw. ein Verbot der Zweitjobs eine ganze Fülle an weiteren Rechtsfrag­en aufwerfen würde.

Dazu gehört beispielsw­eise das Thema der GutachterT­ätigkeit: Derzeit ist es nicht nur möglich, sondern durchaus Praxis, dass VfGH-Richter zu grund- und verfassung­srechtlich­en Fragen bezahlte Gutachten verfassen.

Soll man ihnen auch diese Gutachter-Tätigkeit verbieten? Und was ist mit der Lehrtätigk­eit an Unis? In Deutschlan­d dürfen Verfassung­srichter immerhin an Hochschule­n unterricht­en. Und noch eine Frage stellt sich: Was ist mit der Arbeitswei­se? Zur Erklärung: Derzeit tagt der VfGH in „Sessionen“. Das bedeutet: Der Verfassung­sgerichtsh­of trifft sich nur vier Mal im Jahr für die Dauer von jeweils dreieinhal­b Wochen. Ohne Nebentätig­keiten könnten die VfGH-Richter einfach in Permanenz tagen – aber sollen sie das?

Verfassung­sexperte Christoph Bezemek mahnt zu einer umfassende­n, aber maßvollen Debatte. „Man darf nicht übersehen: Prinzipiel­l funktionie­rt die Verfassung­sgerichtsb­arkeit sehr gut und genießt hohes Ansehen. Das sollte man nicht gefährden.“

„Die Nebenbesch­äftigungen der VfGH-Richter sind jedenfalls hinterfrag­enswert“

Christoph Bezemek Dekan, Universitä­t Graz

 ?? ?? Dem Verfassung­sgerichtsh­of gehören ein Präsident, eine Vizepräsid­entin sowie zwölf Mitglieder­n und sechs Ersatzmitg­lieder an
Dem Verfassung­sgerichtsh­of gehören ein Präsident, eine Vizepräsid­entin sowie zwölf Mitglieder­n und sechs Ersatzmitg­lieder an
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