Labor-Baby ohne Mutter
Strittige Forschungsprojekte könnten die menschliche Fortpflanzung neu definieren
„Sie sehen gut aus.“Mit diesem Satz kommentierte der japanische Zellbiologe Katsuhiko Hayashi seinen Erfolg auf einem Genetik-Kongress in London vergangene Woche vergleichsweise lapidar: Zusammen mit seinem Team ist es ihm gelungen, Mäuse aus rein männlichem Erbgut zu züchten.
Dafür kreierte er aus Hautzellen männlicher Mäuse wandlungsfähige Stammzellen. Diese wurden so umprogrammiert, dass aus ihnen fruchtbare weibliche Eizellen entstehen. Die Überlebensrate war gering: 630 Embryonen wurden übertragen, per Leihmuttermaus kamen sieben Mäusebabys gesund zur Welt. Genetisch gesehen haben sie keine Mutter.
Ambivalente Forschung
Hayashi zufolge öffnen seine Experimente der Reproduktionsmedizin neue Türen. Zwar sei das angewandte Verfahren nicht annähernd ausgereift genug, um es für die humane Fortpflanzung nutzbar zu machen. Binnen zehn Jahren könne die Technik aber theoretisch fit für den Menschen gemacht werden.
Dieses Szenario hält Reproduktionsmediziner Andreas Obruca, Leiter des Kinderwunschzentrums an der Wien, für unrealistisch. „Ich bin seit 30 Jahren in der Reproduktionsmedizin tätig und ich garantiere, dass es nicht so sein wird. Nach Dolly (Anm. Klonschaf) hat es geheißen: ‚Der Mensch wird jetzt geklont.‘ Heute denkt niemand mehr daran“, sagt er und betont: „Und das ist gut so.“Obruca spielt auf medizin-ethische Bedenken an, die derart experimentelle Verfahren aufwerfen. „Wir wissen nicht, was es für Folgen hat, wenn wir die Genetik einer Zelle umprogrammieren.“
Jahre wird Louise Brown, das erste IVFBaby, heuer alt. 1969 gelang die erste Befruchtung in der Petrischale. 2021 führten 12.218 IVFVersuche in Österreich zu 3.354 Schwangerschaften Etwaige Zelldefekte könnten zu massiven Komplikationen führen. „Im humanen Bereich müsste zu 100 Prozent klar sein, dass keinerlei Risiken bestehen.“
Zuletzt sorgte 2018 die Geburt der ersten genveränderten Babys – ihr Erbgut soll mittels Genschere verändert und gegen HIV resistent gemacht worden sein – in China für Empörung: Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft sah darin eine massive Grenzüberschreitung mit nicht abschätzbaren Langzeitfolgen.
Methoden wie jene von Katsuhiko Hayashi wären potenziell für gleichgeschlechtliche Paare interessant – zwei Männer könnten so ein leibliches Kind bekommen. In Analogie zu Hayashis Mäusen einen Menschen zu erschaffen, sei laut Obruca aber „nicht erstrebenswert“. Wertvoll seien solche Forschungen dennoch: „Wir bekommen ein immer besseres Bild davon, wie die Reproduktion genau funktioniert.“Denkbar sei, das Wissen bei der Therapie von Eierstockerkrankungen einzusetzen, „oder um zu verstehen, wie sie überhaupt entstehen“.
Fortpflanzung im Wandel
Im Schatten aufsehenerregender Entwicklungen hat sich die Reproduktionsmedizin weiterentwickelt. Beim Zugang zu In-vitro-Fertilisation (IVF) für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch wurden Hürden abgebaut. Seit der Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes 2015 können sich auch in Österreich lesbische Paare so ihren Babywunsch erfüllen. Das Einfrieren von Eizellen ist hierzulande gesetzlich streng geregelt, für Frauen mit eingeschränkter Eierstockreserve aber beispielsweise möglich. In der Präimplantationsdiagnostik kommt inzwischen künstliche Intelligenz zum Einsatz: Sie ermöglicht, Eizellen in sehr frühem Stadium zu beobachten, um den idealen Zeitpunkt für das Einsetzen zu finden. Dabei geht es laut Obruca nicht darum „Designerbabys zu erschaffen, sondern Embryos mit dem größten Entwicklungspotenzial auszuwählen“.
So wertvoll die Innovationskraft der Reproduktionsforschung sein mag, „die Würde des Menschen muss immer gewahrt werden“, mahnt Obruca. Klar müsse auch sein, „dass es in der Medizin die Grundverantwortung gibt, Dinge nicht zu tun, nur weil sie möglich sind“.
Katsuhiko Hayashi will nun Versuche mit menschlichen Zellen wagen. Dafür sei nicht nur eine Verfeinerung der Methode nötig, sondern auch eine breite gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen ihrer Umsetzung. Hayashi wird mit seinem Vorhaben jedenfalls weitere Fragen aufwerfen. Es wird an der Gesellschaft liegen, diese auszuverhandeln.