Kurier

Wo es in der Schule brennt

Die Pandemie hat viele Probleme im Bildungssy­stem verschärft. Menschen aus der Praxis wissen, was die großen Herausford­erungen derzeit sind, und nennen Lösungsans­ätze

- VON UTE BRÜHL

Über den Lehrermang­el reden derzeit viele. Dabei gibt es noch weitaus mehr Baustellen in der Schule, wie sich bei einem Treffen des KURIER-Bildungsbe­irats gezeigt hat (s.u.). Hier sitzen Praktiker aus unterschie­dlichen Bildungsei­nrichtunge­n. Sie wissen, was im Schulsyste­m gut läuft und wo es Handlungsb­edarf gibt. Und sie wünschen sich, dass Verantwort­liche in der Politik mehr auf die Praktiker hören.

Die Baustellen

In diesen Bereichen sehen die Expertinne­n und Experten großen Handlungsb­edarf.

Lehrerausb­ildung: Sie dauert nicht nur zu lange (das Volksschul­lehramt geht über fünf Jahre, das für die Mittelschu­le und Gymnasium sogar über sechs Jahre), sie beinhaltet auch zu wenig Praxis. Besser wäre es, wenn die Studierend­en früher in der Klasse stehen würden, und die Schule Möglichkei­ten hätte, ihnen im ersten Unterricht­sjahr besser fachlich zur Seite zu stehen. Das System des Mentoring, das beim Berufseins­tieg in der sogenannte­n Induktions­phase Junglehrpe­rsonen begleitet, ist eine deutliche Verschlech­terung gegenüber dem früheren Unterricht­spraktikum (einst das erste Jahr der Lehrperson­en im Klassenzim­mer). Zudem häufen sich Klagen von Schulen, wonach junge Kolleginne­n und Kollegen fachlich nicht sattelfest genug sind.

Mangelfäch­er: In Ballungsze­ntren müssen junge Lehrperson­en in Fächern wie Mathematik besonders viele Stunden unterricht­en. Das erschwert eine gute Begleitung.

Fehlende Planung: Es gibt zwar einen Lehrermang­el – allerdings nur in bestimmten Fächern. Wer zum Beispiel eine Kombinatio­n Geschichte und Französisc­h studiert, der hat kaum eine Chance auf eine Anstellung. Anders sieht es mit naturwisse­nschaftlic­hen Fächern aus, wo es einen massiven Mangel gibt. Hier bräuchte es mehr Steuerung seitens des Ministeriu­ms. Man könnte z.B. nur bestimmte Fächerkomb­inationen erlauben – so wie das in Bayern heute schon der Fall ist. Oder man könnte den Unis und Pädagogisc­hen Hochschule­n (PH) die Möglichkei­t geben, manche Fächer zeitweise auszusetze­n.

Kooperatio­n mit PHs und Unis: Häufig gehen Studierend­e schon in die Schulen, um dort die fehlenden Lehrkräfte zu ersetzen. Bisher war die Kooperatio­n zwischen Schulen und Unis bzw. Pädagogisc­hen Hochschule­n nicht optimal – die Vereinbark­eit von Studium und Arbeit hätte für Junglehrer besser sein können. Allerdings laufen derzeit Gespräche, die Optimierun­gen bringen sollen.

Weiterbild­ungen: Dass Mentoren und Schulleite­rinnen sowie andere Spezialist­en eine Zusatzausb­ildung machen müssen, ist selbstvers­tändlich. Nicht immer bringen diese Kurse den Mehrwert, den sie haben sollten.

Zudem sind sie häufig zu zeitintens­iv für Berufstäti­ge.

Mittleres Management: Es braucht Personen, die neben der Direktion Führungsve­rantwortun­g übernehmen. Sie sollten dafür eine Zulage bezahlt bekommen oder ein paar Stunden weniger unterricht­en müssen. Dafür könnten sie Aufgaben wie Mitarbeit bei Schulentwi­cklungsthe­men, Führung eines Subteams und administra­tive Agenden übernehmen. Die Schulleitu­ng könnte sich verstärkt pädagogisc­hen Aufgaben widmen. Den Lehrperson­en würden so auch weitere Jobperspek­tiven eröffnet.

Kindergart­en: Hier fehlt noch mehr Fachperson­al als in den Schulen. Abhilfe könnten bessere Rahmenbedi­ngungen schaffen – etwa, dass Pädagoginn­en mehr Zeit für Vorbereitu­ng, Elterngesp­räche etc. bekommen – also Zeit außerhalb der Gruppe, wie es für Lehrperson­en bereits völlig normal ist. Zudem wären mehr Ausbildung­sangebote für Erwachsene von Vorteil, weil die Drop-out-Rate dabei weitaus geringer ist als in der 5-jährigen BAfEP – eine berufsbild­ende höhere Schule, die zum Kindergart­enpädagoge­n ausbildet.

Leseschwäc­hen: Die Pandemie hat die Situation verschärft: Kinder und Jugendlich­e haben zunehmend Probleme, sinnerfass­end zu lesen – auch weil Kinder sich immer weniger konzentrie­ren können. Hier braucht es aktive Programme. Und mehr analogen Unterricht.

Was schon gut läuft

Doch bei allen Baustellen, gibt es auch gute Nachrichte­n:

Nahtstelle Kindergart­enSchule: Die Profession­alisierung der Elementarp­ädagoginne­n und die Zusammenar­beit mit lokalen Volksschul­en funktionie­rt in einigen Regionen sehr gut. Screenings und Tests geben einen guten Einblick, wo die Kinder stehen. Allerdings sind die Tests für die Pädagogen sehr zeitintens­iv.

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Aufgezeigt: Dass Kinder alle der Lehrerin gebannt zuhören, wird immer seltener – Konzentrat­ionsproble­me häufen sich
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Der KURIER-Bildungsbe­irat im KURIER-Newsroom (v.li.): Schärf-Stangl, Fleck, Pfingstner, Greiner, Reißner, Haas und Zins

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