„Eine Frau zu sein, kann in Afghanistan einem Todesurteil gleichkommen“
Tagung zu Frauenrechten in Wien: Sie sind oft in Lebensgefahr, legale Wege nach Österreich gibt es aber kaum
Wien. Seit in Afghanistan wieder die radikal-islamistischen Taliban herrschen, wurden Frauen aus dem öffentlichen Leben verbannt. Selbst Köpfe von Schaufensterpuppen wurden mit Müllsäcken verhüllt. „Eine Frau zu sein, kann einem Todesurteil gleichkommen“, sagt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger. Um auf das Schicksal von Afghaninnen aufmerksam zu machen, trafen sich Forscherinnen und Menschenrechtsaktivistinnen vergangene Woche bei der Tagung „Kampf um die Rechte afghanischer Frauen“in Wien.
Eine von ihnen ist Heela Najibullah. Sie erzählt von einer Kindheit in Afghanistan, in der Bomben und Schüsse zum Alltag gehörten. 1987 wurde ihr Vater Mohammed
Najibullah Präsident. Bis 1992 war er im Amt, danach wurde er von den Taliban gefoltert und hingerichtet, sein Leichnam öffentlich zur Schau gestellt. Mit 14 Jahren musste Heela Najibullah Afghanistan verlassen – zurückkehren konnte sie nie mehr. Heute ist sie Friedenforscherin an der Universität Zürich.
„Die Taliban verbreiten Angst und Terror. Jeder, der die Stimme erhebt, wird eingesperrt und gefoltert. Frauen wie Männer.“Das Land auf legalem Weg zu verlassen, sei kaum möglich: Allein ein Pass koste Tausende Dollar, und damit ist nur eine Reise in die unsicheren Nachbarländer Iran oder Pakistan möglich.
Doch Afghaninnen seien mutig, betont Najibullah. „Eine Frau hat zu mir gesagt: Wenn ich etwas sage, kann ich sterben – aber wenn nicht, sterbe ich auch.“So hätten sich etwa im Untergrund Homeschooling-Systeme entwickelt: „Mädchen, die ja nicht mehr zur Schule gehen dürfen, werden zum Beispiel heimlich online unterrichtet. Die Afghaninnen möchten, dass wir in Europa wissen, dass sie Widerstand leisten.“
Auch andere Afghaninnen erhoben bei der Tagung, die vom Afghanischen Kulturverein AKIS sowie vom Wiener Institut für internationalen Dialog und Kooperation (VIDC) organisiert wurde, ihre Stimme. Neben Najibullah war etwa Frauenrechtsaktivistin
Hoda Khamosh geladen: Die Journalistin wurde vom Time Magazine zu einer der einflussreichsten Personen 2022 gewählt.
Sicherheit und Zeit
Eine der österreichischen Vertreterinnen war Migrationsforscherin Kohlenberger. Der einzige legale Weg nach Österreich sei die Familienzusammenführung. „Wir sagen, wir wollen lieber Frauen aufnehmen. Auf den gefährlichen irregulären Weg machen sich aber natürlich eher Männer.“In Österreich angekommen, seien afghanische Frauen doppelt so oft von Depressionen und Angststörungen betroffen wie Männer. Wichtig sei, den Frauen hier Sicherheit zu bieten und ihnen Zeit zu geben: „Einige sind Analphabetinnen. Eine Schrift und eine Sprache zu erlernen braucht Zeit. Zudem haben viele massive Konzentrationsund Schlafstörungen.“
In Schweden, Dänemark und Finnland erkenne man alle Afghaninnen seit 2023 als Konventionsflüchtlinge an, da sie aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden. In Österreich lasse ein vehementerer Einsatz der Politik aber noch auf sich warten. Das zeige sich schon daran, dass die Tagung in einem Seniorencafé in Wien-Floridsdorf stattfand, das kaum ausreichend Platz für alle Teilnehmerinnen bot, schildert Kohlenberger. „Es ist schade, dass das offizielle Österreich so wenig Interesse zeigt.“