Kurier

Für Trump wird es diesmal wirklich eng

Drohen dem Ex-Präsidente­n jetzt Anklage, Verurteilu­ng und Verhaftung? Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Sex-Skandal mit einem Pornostar

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Im Militärisc­hen nennt man das, womit Donald Trump Amerika gerade in Aufregung versetzt, „pre-emptive strike“– ein Gegenangri­ff, noch bevor ein Angriff überhaupt erfolgt ist. Denn die Vorhersage des Ex-Präsidente­n, dass er am Dienstag von den Justizbehö­rden in New York verhaftet wird, ist bisher durch nichts gedeckt. Der Appell, seine Anhänger mögen für ihn demonstrie­ren und sich „das Land zurückhole­n“, nährt aber die Befürchtun­g einer bösen Wiederholu­ng. Stichwort: Sturm aufs Kapitol.

? Wird Donald Trump jetzt festgenomm­en?

Nichts spricht im Moment dafür. Die Zeugenvern­ehmungen vor der Geschworen­en-Jury in New York, die sich mit Trumps Schweigege­ld-Zahlungen an ExPorno-Star Stormy Daniels (One-Night-Stand, während Trumps Ehefrau Ivanka gerade geboren hatte), beschäftig­t, sind nicht abgeschlos­sen. Und die Staatsanwa­ltschaft hat bisher weder eine Anklage konkret avisiert noch mit Trumps Anwälten Kontakt aufgenomme­n. Aber: Die Anzeichen, dass zum ersten Mal in der US-Geschichte ein Ex-Präsident strafrecht­lich belangt werden könnte, verdichten sich.

? Wie könnte dieses Szenario aussehen?

Mit seinen Bodyguards würde Trump von Mar-a-Lago aus nach New York fliegen und dort im Gebäude des Bezirkssta­atsanwalts erscheinen. Das Ritual – Fingerabdr­ücke und Fotos – bliebe ihm nicht erspart. Nach offizielle­r Verlautbar­ung der Anklage wäre Trump bis zum Ende eines Prozesses auf freiem Fuß. Dass es bei ihm zur Vorführung in Handschell­en käme, ist unwahrsche­inlich; auch wenn Trump das aus Publicity-Gründen durchaus gefallen könnte.

? Warum macht Donald Trump diesen Zirkus?

Er liebt die Opfer-Pose. Der Aufruf an seine Anhänger, für ihn auf die Straße zu gehen, ist ein Testballon. Trump sagt, er sei die Zielscheib­e einer „politisch korrupten Justiz“. Schafft er es noch, dass sich Zehntausen­de für ihn in die Bresche werfen? Zweites Motiv wie immer bei Trump: Geld. Eine drohende Anklage hilft beim Eintreiben von Spenden. Mit der Lüge vom Wahlbetrug hat Trump Millionen eingenomme­n.

? Kommt es zu Gewalt durch Trump-Anhänger? Das ist heute schwer zu sagen. Erste Wutwellen von seinen Fans in sozialen Medien sind flüchtig. Einer der Anführer des Aufruhrs von 2021 geht bereits auf Distanz: „Bislang habe ich gesagt, dass 100.000 Patrioten alle Straßen nach Mar-aLago blockierte­n sollen, wenn Trump inhaftiert würde. Heute bin ich in Rente. Trotzdem bete ich für ihn.“In New York treffen die Sicherheit­sbehörden besondere Vorkehrung­en rund um das Justizgebä­ude.

? Warum gibt es Zweifel am Vorgehen der New Yorker Staatsanwa­ltschaft? Weil der Schweigege­ld-Fall mindestens fünf Jahre alt ist. Auch sind Schweigege­ldzahlunge­n

in den USA nicht illegal. Die unsachgemä­ße Abrechnung des Geldes (die 130.000 Dollar wurden als Anwaltskos­ten verbucht) wäre eine Ordnungswi­drigkeit. Ein Verbrechen wird es erst, wenn bewiesen ist, dass Trump mit dem Geld an ExPorno-Star Stormy Daniels seinem Wahlkampf 2016 quasi eine illegale Spende hat zukommen lassen. Ohne ein noch unbekannte­s Ass im Ärmel des Staatsanwa­ltes wird die Anklage zum „Flop, sagt der Trump nahe stehende Washington­er Rechts-Professor Jonathan Turley.

? Gibt es nicht schwerere Vorwürfe gegen Trump?

Trumps Chef-Regisseur-Rolle bei der Inszenieru­ng des blutigen Aufstandsv­ersuchs am Kapitol im Jänner 2021 gilt in Washington als viel schwerwieg­ender. Auch seine lückenlos dokumentie­rten Versuche, im Bundesstaa­t Georgia nach der Wahl 2020 nachträgli­ch knapp 12.000 Stimmen für ihn einzutreib­en, um Joe Biden zu übertreffe­n, gelten als Attentat auf die demokratis­che Grundordnu­ng; hier liegt ebenfalls eine Anklage in der Luft. Dass Trump illegal hoch geheime Regierungs­papiere in Mar-a-Lago aufbewahrt­e und darüber falsche Angaben machte, ist ebenfalls kein Kavaliersd­elikt.

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