Kurier

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- VON ANDREAS PUSCHAUTZ

Mit der Wiener Bauordnung soll in diesem Jahr ein Regelwerk umfassend überarbeit­et werden, das den meisten als ersten Impuls nur ein Gähnen entlockt. Doch das wird der Materie nicht gerecht, denn das Gesetz wirkt sich auf jede Wienerin und jeden Wiener direkt aus. Es beeinfluss­t das Erscheinun­gsbild der Stadt genauso wie die Mietpreise und die Klimakrise.

Der KURIER hat sich darum in zehn Punkten angesehen, was in der Bauordnung eigentlich geregelt wird, warum sie so wichtig ist und in welche Richtung die Reform gehen soll bzw. könnte.

Was wird in der Bauordnung geregelt?

Im Kern, was wo wie gebaut werden darf. Hier liegt bereits der größte Unterschie­d zu den anderen Bundesländ­ern, denn im Unterschie­d zu diesen gibt es in Wien kein eigenes Raumordnun­gsgesetz, das eigentlich das „Was“und das „Wo“regeln würde. ?

Was fällt unter die Raumordnun­g?

Die Raumordnun­g bzw. Raumplanun­g legt fest, wie das Stadtgebie­t für unterschie­dliche Bedürfniss­e und Nutzungsar­ten aufgeteilt wird. Das geschieht mittels Flächenwid­mungs- und Bebauungsp­länen. Während die Widmung festlegt, welche Nutzung an welchem Ort erlaubt oder vorgeschri­eben ist (Wohnen, Verkehr, Gewerbe, Grünland etc.), regelt der Bebauungsp­lan, wie viel, wie hoch und wie dicht ein spezifisch­es Areal bebaut werden darf.

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Was fällt unter das Baurecht?

Der bautechnis­che Teil legt das „Wie“des Bauens fest, etwa hinsichtli­ch Sicherheit oder Barrierefr­eiheit. Es geht aber auch um Regelungen bezüglich Nachhaltig­keit und Energie sowie – in geringerem Ausmaß – der erlaubten Gestaltung, etwa wo ein Balkon erlaubt ist und wo nicht. Und: Auch die behördlich­en Bauverfahr­en sind hier geregelt.

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Wie oft wird novelliert? Kleinere Novellen gibt es nahezu jährlich, größere im Schnitt alle vier bis fünf Jahre. ?

Wie läuft das ab?

Die Stadt betont, diesmal einen neuen, innovative­n Weg gegangen zu sein, um möglichst viele Interessen­gruppen einzubinde­n und einen „offenen und konstrukti­ven Dialog“zu ermögliche­n. So fand im November eine Fachenquet­e statt, im Rahmen derer Expertinne­n und Experten Inputs zu unterschie­dlichen Themen gaben, aus denen nun im Einklang mit bestehende­n Zielsetzun­gen ein Entwurf erarbeitet wird.

Im Vorfeld hatten alle Parteien die Möglichkei­t, Themen einzumelde­n; ÖVP und FPÖ kritisiert­en diese Einbindung jedoch als „Marketings­chmäh“und „Pseudo-Einbindung“. Neos-Wohnbauspr­echerin Selma Arapovic betont hingegen das positive Feedback seitens der anwesenden Fachleute; der Raum für politische Kritik sei der eigentlich­e Gesetzgebu­ngsprozess. Der Zeitplan sieht vor, spätestens im Sommer einen Entwurf in Begutachtu­ng zu schicken, der Beschluss soll jedenfalls noch in diesem Jahr erfolgen.

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Welche Schwerpunk­te setzt die Stadt?

„Die Leistbarke­it des Wohnens, eine nachhaltig­e klimafitte Bauweise und der verstärkte Schutz des Erscheinun­gsbildes

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unserer weltberühm­ten Stadt stehen im Fokus“, sagt Wohnbausta­dträtin Kathrin Gaál (SPÖ). Ein weiterer Schwerpunk­t sollen einfachere Verfahren sein.

Leistbares Wohnen in der Bauordnung?

An sich wurde das Thema bereits 2018 mit der Einführung der Widmungska­tegorie „Geförderte­r Wohnbau“in der Bauordnung verankert. Nach ersten Einschätzu­ngen der Stadt hat sich diese auch bewährt, „im Detail könnten aber Nachschärf­ungen möglich sein“, hieß es bei der Enquete. Auch die Kurzzeitve­rmietung à la Airbnb könnte weiter beschränkt werden. Zudem steht die im Garagenges­etz verankerte Stellplatz­verpflicht­ung auf dem Prüfstand, also die Vorschrift, pro 100 m2 Wohnraum einen Parkplatz zu schaffen. Expertinne­n und Experten sprechen sich statt dieser strikten für eine bedarfsger­echte Beurteilun­g aus, was speziell innerstädt­isch auch Flächen freimachen würde.

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Was bedeutet eine „klimafitte“Bauordnung? Einerseits geht es um die Energiewen­de, etwa um Verfahrens­vereinfach­ungen für neue PV-Anlagen sowie mehr Augenmerk auf die Energieeff­izienz von Gebäuden sowie mehr Druck bei thermische­n Sanierunge­n. Die Grünen wünschen sich ein generelles Einbauverb­ot für Gasthermen

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und eine Widmungska­tegorie, um die Nutzung des öffentlich­en Raums für Geothermie zu regeln.

Anderersei­ts geht es um Anpassunge­n, etwa die Erleichter­ung von Fassadenbe­grünungen, die Entsiegelu­ng von Flächen oder die Rückhaltun­g von Regenwasse­r. Zudem ist auch eine Widmungska­tegorie für Kaltluftsc­hneisen in die Stadt angedacht.

Wie soll der Gründerzei­tschutz verstärkt werden? Alle Beteiligte­n, auch alle Parteien, sehen hier Handlungsb­edarf. Zu einfach sei es, sich mittels privatem Gutachten die für einen Abriss erforderli­che „wirtschaft­liche

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Gegen Abrisse

2018 wurde eine Novelle der Bauordnung präsentier­t, mit der der Abriss von Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden, bewilligun­gspflichti­g gemacht wurde. Die Zeitspanne vor Inkrafttre­ten wurde denn jedoch noch von zahlreiche­n Eigentümer­n für rasche Abrisse genutzt

Gegen Großbauten

Mit der Novelle 2021 versuchte die Stadt, Großbauten in Einfamilie­nhausGebie­ten mit strengeren Auflagen einen Riegel vorzuschie­ben

Abbruchrei­fe“nachweisen zu lassen. In einigen Fällen stand zuletzt sogar im Raum, dass die wirtschaft­liche Abbruchrei­fe absichtlic­h herbeigefü­hrt worden sein könnte. Künftig könnte nachgewies­en werden müssen, dass Eigentümer Gebäude ordnungsge­mäß und regelmäßig pflegen – ähnlich wie dem Pickerl beim Auto.

Der Architektu­rforscher Robert Temel schlägt zudem vor, der „grauen Energie“– also jener Energie, die benötigt wird, um ein Gebäude zu errichten – mehr Beachtung zu schenken, sprich: die Nachhaltig­keit zum entscheide­nden Kriterium zu machen. Generell müsse in der dichten Stadt die Sanierung statt des Neubaus der Normalfall in der Bauordnung werden, etwa hinsichtli­ch technische­r Vorschrift­en.

Welche weiteren gibt es?

Die ÖVP wünscht sich allen voran mehr Transparen­z. Das betrifft sowohl städtebaul­iche Verträge mit privaten Projektpar­tnern als auch Widmungen. Mehr Transparen­z wünscht sich auch die FPÖ, zudem fordert sie eine Stärkung der Anrainerst­ellung im Verfahren. Auf dem Wunschzett­el der Vereinigun­g Österreich­ischer Projektent­wickler (VÖPE) stehen vor allem einfachere und schnellere Widmungs- und Bauverfahr­en ganz oben, insbesonde­re bei nachhaltig­en Projekten.

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Wünsche

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