Kurier

Menschlich­es Versagen

Die Credit Suisse war eigentlich wie ein Flugzeug ohne Schäden. Versagt haben die Piloten und die Flugsicher­ung

- VON WOLFGANG UNTERHUBER wolfgang.unterhuber@kurier.at

Von 2009 bis 2011 verzockte bei der Großbank UBS ein Händler 2,3 Milliarden Dollar. Erst nach zwei Jahren kam man dem Händler auf die Schliche und entdeckte, dass die UBS phasenweis­e nur knapp an der Pleite vorbeigesc­hrammt war. So ist es eine Ironie der Geschichte, dass die UBS nach hektischen Verhandlun­gen jetzt die Skandalban­k Credit Suisse (CS) schlucken muss. Die Credit Suisse ist eine der wichtigste­n Banken der Welt. Die Schweizer Nationalba­nk stellt umgerechne­t 200 Milliarden Euro Liquidität bereit, damit weiterhin die

Musik spielt. Die Welt stand also in den vergangene­n Tagen am Abgrund einer neuen Finanzkris­e. Jetzt wird wieder einmal auf Kosten der Steuerzahl­er geholfen.

Was besonders ärgerlich ist: Schweizer Nationalba­nk, Finanzaufs­icht und Regierung haben bei der Credit Suisse jahrelang zugesehen, wie sich Affäre an Affäre reiht.

Da war die bulgarisch­e Mafia, die laut Staatsanwa­ltschaft über die Bank ihre Geschäfte abwickeln konnte. Bei Geschäften in Mosambik verschwand­en Millionen; ebenso bei Spekulatio­nen mit einem Hedgefonds.

Und die ganzen Regularien? Die geltenden formalen Vorgaben hat die Credit Suisse nach aktuellem Stand der Dinge bis zum Schluss offensicht­lich erfüllt. Ohnedies ist fraglich, ob die Bank stabil geblieben wäre, wenn sie ein paar Prozentpun­kte mehr Eigenkapit­al oder einige Milliarden mehr Liquidität hätte vorweisen können. Zur Strecke gebracht hat sie die Angst ihrer Kunden und Geschäftsp­artner. Die zogen ihr Geld wegen der ganzen Affären ab. Die Antwort auf den Skandal können also nicht noch mehr Vorschrift­en sein. Die sind jetzt schon unüberscha­ubar. Und wie sich gezeigt hat, helfen sie nicht, verunsiche­rte Investoren zu beruhigen. Die Credit Suisse war eigentlich ein Flugzeug ohne Schäden. Versagt haben die Piloten und die Flugsicher­ung. Seit Jahrzehnte­n wird weltweit über interne Kontrollme­chanismen, die sogenannte Corporate Governance, in den Unternehme­n diskutiert. Im Fall der Credit Suisse muss man also feststelle­n, dass Aufsichtso­rgane und operative Chefs zu eng miteinande­r verbandelt waren. So wurden Missstände wohl erkannt, aber erst zu spät wurden Konsequenz­en gezogen.

Was also tun? Es braucht unabhängig­e und mutige Kontrolleu­re, deren Blick sich nicht nur auf die Regularien konzentrie­rt, sondern die stärker auch ihren Fokus auf interne Abläufe und einzelne Personen in der Chefetage konzentrie­ren. Das wird künftig entscheide­nd sein. Denn die aus UBS und CS neu konstruier­te Bank wird wegen ihrer Größe schon als Monsterban­k bezeichnet, weil ihre Bilanzsumm­e doppelt so groß ist wie das BIP der Schweiz. Was, wenn sich dort wieder einmal ein Händler wie 2009 bis 2011 ein wenig verzockt, weil die Kontrollme­chanismen versagen?

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