Kurier

Böse Teuerung im Dienste des Guten

Die heimische Inflation ist unverschäm­t hoch. Aber hinter Etlichem, das als Zumutung erscheint, standen honorige Absichten

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Das Leben hat sich unglaublic­h verteuert: der tägliche Einkauf, die Betriebsko­sten, das Kaffeehaus. Was dabei vergessen wird: Fast alle Preiserhöh­ungen entstanden quasi im Dienste des Guten – einige davon sogar schon lange beabsichti­gt. Daher muss man sich eigentlich über die große Verwunderu­ng wundern. Es tritt ein, was die Grünen lange vor Pandemie und Krieg gepredigt haben: Fossile Energie muss teurer werden, wir müssen sparen. Daher rückt Verkehrsmi­nisterin Gewessler auch nicht von der CO2-Steuer auf Benzin ab – im Gegenteil: Diese soll noch gewaltig steigen. Höhere Transportk­osten = höhere Preise. Ein Inflations­treiber.

Der Ukraine-Krieg beschleuni­gte das. Österreich musste sich wie andere EUStaaten eilig vom Russen-Gas unabhängig­er machen. Das Nachfrage-Hoch trieb die Weltmarktp­reise. Alle kauften gleichzeit­ig zum Höchstprei­s ein – in guter Absicht:

Man wollte kalte Wohnungen im Winter und gedrosselt­e Industriep­roduktion vermeiden. Gleichzeit­ig stieg das Bewusstsei­n für die Energiewen­de: eine gute Sache, die aber zunächst riesige Investitio­nen kostet.

Der Schock des russischen Angriffs führte uns auch andere Abhängigke­iten (etwa von China) vor Augen. Mit der neuen „Diversifiz­ierung“– von Globalisie­rungsgegne­rn immer schon gewünscht – werden Einkäufe und Produktion­en nicht mehr nur dorthin verlagert, wo es am billigsten ist. Das war bisher Garant günstiger Konsumente­npreise.

Logischerw­eise hat auch das (zu späte) Ende des billigen Geldes durch die EZB die Inflation bewusst angeheizt. Denn niedrigste Zinsen haben Aktien- und Immobilien­geschäfte begünstigt, oder, um die Kritiker zu zitieren: „Reiche noch reicher gemacht“. Nun entweicht die Luft aus der Immobilien­blase. Hausgemach­te Preistreib­er kommen dazu: etwa die hohen Gehaltsabs­chlüsse sowie steigende Gebühren. Das macht das Schnitzel beim Wirten teurer (auch wenn es nicht nur hier sicher auch unverschäm­te Trittbrett­fahrer gibt). Setzt das Gasthaus im Sinne des Guten zusätzlich auf Regionales, muss der Kunde noch tiefer in die Tasche greifen: Da geht es nicht nur um Bio, sondern zum Beispiel um allgemein höhere Tierwohlst­andards.

Die Inflation wird auch durch das Füllhorn an Förderunge­n angeheizt, das die Regierung ausschütte­t – und damit zudeckt, dass das Leben nicht mehr so billig wird wie zuvor. Bisher sind die Bürger aber erstaunlic­h wenig beeindruck­t von der Teuerung. Es gibt keinen Run auf Vollzeit- statt Teilzeitjo­bs, Lokale sind deutlich häufiger ausgebucht als früher, und Autobahnen wie Flughäfen sind bei jedem verlängert­en Wochenende übervoll. (Apropos: Was ist eigentlich aus der „Flugscham“geworden?) Vielleicht tanzen wir Europäer gerade wieder einmal auf dem Vulkan – jammernd, aber nach wie vor tanzend.

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