Kurier

Wie wird man zum Autokraten?

Verwandlun­g. Viele despotisch­e Herrscher traten einst als Hoffnungst­räger und Reformer an. Autor Gideon Rachman hat viele der „starken Männer“getroffen – und erklärt, warum sie so wurden, wie sie sind

- VON EVELYN PETERNEL

Gideon Rachman hat sie befragt, kritisiert und analysiert: Der Chefkommen­tator der Financial Times hat von Putin abwärts die meisten Autokraten dieser Welt getroffen – und über sie das Buch „The Age of the Strongmen“(deutsch: Die Welt der Autokraten) geschriebe­n. Im KURIER-Interview spricht der Brite über die Wahlen in der Türkei, Putins Ende und Trumps Wiedererst­arken.

KURIER: Der türkische Staatschef Erdoğan wird am Sonntag wahrschein­lich wiedergewä­hlt. Warum folgen Menschen Politikern wie ihm, obwohl sie ihre Freiheiten massiv einschränk­en, ihnen vielleicht sogar das Wahlrecht wegnehmen?

Halten Sie es für möglich, dass die Ära der Autokraten endet, wenn Putin verliert? Nein, leider. Aber: Xi sieht Putin als seinen größten Freund in der Weltpoliti­k. Stürzt einer aus diesem Duo, werden Xi oder andere starke Führer zwar nicht am nächsten Tag abtreten – aber wenn der Archetyp versagt, wird das Konsequenz­en haben.

Warum ist es eigentlich Männersach­e, Autokrat zu sein? Das ist kein Zufall. Traditione­lle Konservati­ve wollen, dass die Dinge wieder so werden, wie sie waren – sie behaupten, alles Neue sei gegen die Natur. Xi Jinping hat verfügt, „verweichli­chte“, „weibliche“Männer aus dem Fernsehen zu entfernen. Es ist nicht unmöglich, dass sich eine Frau das zu eigen macht. Aber Georgia Meloni zum Beispiel ist weit davon entfernt, diesen Macho-Kult um sich herum zu schaffen. Und Marine Le Pen ist und bleibt die Tochter ihres Vaters, eine Erbin der extremen Rechten.

Sie haben viele der Autokraten getroffen. Wer war der spannendst­e?

Putin war darauf aus, einzuschüc­htern. 2009, beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos, war er noch nicht ganz im imperialen Modus. Wenn ihm jemand eine Frage stellte, die ihm nicht gefiel, schrie er nicht, sondern schüchtert­e die Person KGB-mäßig ein: Einen Journalist­en befragte er etwa zu seinem „außergewöh­nlichen Ring“und machte ihn lächerlich – alle vergaßen die Frage.

Wie wird sich die Welt verändern, wenn Trump wieder gewählt wird?

Das ist ein Scheidepun­kt. Kommt er zurück, wird er noch autoritäre­r sein und dort anfangen, wo er aufgehört hat. Trump ist zutiefst paranoid, genauso wie Erdoğan. Er hat zu den Wählern gesagt, er will sie rächen – also wird er auf Rache aus sein.

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