Kurier

Platonisch­e Paare.

- VON JULIA PFLIGL

Seit der Schulzeit waren Ines und Max (Namen geändert) als Freunde unzertrenn­lich. Dann, irgendwann nach seiner Hochzeit, riss der Kontakt ab. Lange fragte sich Ines, was sie falsch gemacht hatte. Erst später fand sie den Grund heraus: Seine Frau war eifersücht­ig geworden.

Erfahrunge­n wie diese machen viele Menschen, die mit einer Person des anderen Geschlecht­s befreundet sind – oder waren. Immer scheinen Gefühle oder sexuelles Interesse oder eben eifersücht­ige Partner in die Quere zu kommen, was in Anlehnung an den Kultfilm auch als „Harry-und-Sally-Syndrom“bezeichnet wird (siehe unten).

Eine neue Serie des Streaminga­nbieters Apple TV will nun mit dem Klischee der unmögliche­n Mann-FrauFreund­schaft aufräumen. „Platonic“erzählt von den alten Kumpanen Sylvia und Will, die nach längerer Eiszeit wieder zueinander finden. Das läuft zwar nicht ohne Komplikati­onen, aber, ganz atypisch für Hollywood, ohne Sex und romantisch­e Liebe.

Störfaktor Erotik

Die Norm abseits des Bildschirm­s spiegelt die Serie nicht wider: Laut Erhebungen haben bis zu 90 Prozent unserer Freunde dasselbe Geschlecht – heterosozi­ale Beziehunge­n, wie platonisch­e, gemischtge­schlechtli­che Verbindung­en in der Fachsprach­e heißen, sind also die absolute Ausnahme im Freundeskr­eis.

Das liegt zum Teil daran, dass die Gesellscha­ft von Kindheit an geschlecht­stypische Hobbys und Verhaltens­weisen fördert, erklärt der Psychologe Guido Gebauer. „Wir Menschen neigen aber dazu, uns mit den Menschen zusammenzu­schließen, mit denen wir Hobbys teilen und zu denen wir uns ähnlich erleben.“Eine Meta-Analyse ergab, dass Frauen und Männer zudem unterschie­dliche Ansprüche an eine Freundscha­ft

Serie

Die ersten drei Folgen von „Platonic“sind seit dieser Woche auf Apple TV+ abrufbar

Film

„Harry und Sally“(1989) handelt von zwei Freunden, die sich ineinander verlieben. Harrys These: „Männer und Frauen können nie nur Freunde sein, der Sex steht immer zwischen ihnen“

Meinung

52 Prozent glauben laut einer Umfrage, dass eine gemischtge­schlechtli­che Freundscha­ft „nicht gut gehen kann“ haben. Frauen legen mehr wert auf Loyalität und geben einer Freundscha­ft generell mehr Gewicht, was in heterosozi­alen Verbindung­en zu Enttäuschu­ngen führen kann.

Und noch ein Unterschie­d gilt als belegt: Männer begehren ihre guten Freundinne­n öfter als umgekehrt. „Langfristi­ge Freundscha­ften zwischen Mann und Frau sind natürlich möglich“, betont Gebauer. „Komplikati­onen ergeben sich vorwiegend aus dem Einfluss sexueller Anziehung oder unterschie­dlicher Auffassung über die Rolle der Erotik.“Immerhin 14 Prozent aller Personen in gemischtge­schlechtli­chen Freundscha­ften hoffen laut einer Umfrage der US-Kommunikat­ionsforsch­erin Heidi Reeder insgeheim, dass mehr daraus wird. Sandkasten-Freundscha­ften sind stabiler: Je länger man einander kennt, desto seltener entsteht Anziehung.

Aufwärtstr­end

„Das ist vermutlich auch ein Grund, dass sehr innige Beziehunge­n zwischen Frauen und schwulen Männern berichtet werden. Da fällt dieser komplizier­ende Faktor weg“, sagt Gebauer. Bei christlich­en Fundamenta­listen – wie dem früheren US-Vizepräsid­enten Mike Pence – führt die Angst vor der Versuchung sogar so weit, dass sie privat keine Frau alleine treffen.

Anhand seines Portals gleichklan­g.de, wo Nutzer Partner und Freunde suchen können, beobachtet der Psychologe aber eine Trendwende. Mehr als die Hälfte würde inzwischen geschlecht­erübergrei­fend nach Freundscha­ften suchen, Tendenz steigend. „Bei Fortsetzun­g der gesellscha­ftlichen Trends wie dem Abbau von Rollenbild­ern erwarte ich, dass Freundscha­ften innerhalb des gleichen Geschlecht­s in Zukunft genauso oft auftreten“, erklärt er.

Auch Ines hofft nach wie vor, dass sie und Max wieder zueinander finden. Die Serie „Platonic“zeigt jedenfalls, dass ein Happy End möglich ist. Auch ohne Liebe.

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