Kurier

Wer nichts glaubt, muss alles wissen

- VON KLAUS ECKEL

Mein alter, durchaus gebildeter Schulfreun­d Stefan fängt viele seiner Sätze mit: „Wie du sicher weißt“an. Danach folgt in der Regel eine Informatio­n, die mir völlig fremd ist. Das Einzige, was ich mittlerwei­le weiß, ist, dass ich mich nach der Einleitung „Wie du sicher weißt“meistens wie ein Idiot fühle. Vielleicht gehe ich im nächsten Fasching als Wissenslüc­ke. Bereits in meiner Schulzeit beantworte­te ich die Prüfungsfr­agen meiner Lehrer recht häufig mit einem KurtOstbah­n-Klassiker: „I wüs gor ned wissn. Ned so genau“.

Das bescherte mir Probleme, jedoch gleichzeit­ig Lacher. Ich musste nicht lange abwägen. Jeder halbwegs gefestigte Jugendlich­e nimmt für zwei Schmunzler drei Nachprüfun­gen in Kauf. Wissen kann unheimlich belasten. Ein Satz, den man vielleicht nicht über jede Schule schreiben sollte, jedoch meine Beobachtun­g nährt diese These. Immer häufiger begegne ich im Supermarkt Menschen, welche sich kopfschütt­elnd die Inhaltssto­ffe diverser Produkte durchlesen. Die wissen dann vom Waldhonig alles. Blütenquel­len, Pantothens­äuregehalt und vermutlich das WLAN-Passwort vom Imker. Doch der Vollerwerb­sskeptiker hat am Supermarkt­ausgang nichts im Einkaufswa­gen. Außer vielleicht zwei Bilder fürs Sticker-Album. ChroniBesc­heidwisser sche sind ständig auf der Hut. Giftstoffe, Geldabwert­ung, Tigermücke. Informatio­nen sind immer häufiger verkleidet­e Sorgen. Doch eine Mischung aus unerschütt­erlichen Vertrauen und atemberaub­ender Trägheit lässt in meinem Kopf gerne den Gedanken zu: Des wird scho passen. Aktive Ahnungslos­igkeit ist ein Luxus, den ich mir gelegentli­ch gönne. Trost spendet mir auch folgende Überlegung. Ich bin nicht uninformie­rt, sondern ich habe nur mein Wissen an andere Gehirne ausgelager­t.

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