Wer nichts glaubt, muss alles wissen
Mein alter, durchaus gebildeter Schulfreund Stefan fängt viele seiner Sätze mit: „Wie du sicher weißt“an. Danach folgt in der Regel eine Information, die mir völlig fremd ist. Das Einzige, was ich mittlerweile weiß, ist, dass ich mich nach der Einleitung „Wie du sicher weißt“meistens wie ein Idiot fühle. Vielleicht gehe ich im nächsten Fasching als Wissenslücke. Bereits in meiner Schulzeit beantwortete ich die Prüfungsfragen meiner Lehrer recht häufig mit einem KurtOstbahn-Klassiker: „I wüs gor ned wissn. Ned so genau“.
Das bescherte mir Probleme, jedoch gleichzeitig Lacher. Ich musste nicht lange abwägen. Jeder halbwegs gefestigte Jugendliche nimmt für zwei Schmunzler drei Nachprüfungen in Kauf. Wissen kann unheimlich belasten. Ein Satz, den man vielleicht nicht über jede Schule schreiben sollte, jedoch meine Beobachtung nährt diese These. Immer häufiger begegne ich im Supermarkt Menschen, welche sich kopfschüttelnd die Inhaltsstoffe diverser Produkte durchlesen. Die wissen dann vom Waldhonig alles. Blütenquellen, Pantothensäuregehalt und vermutlich das WLAN-Passwort vom Imker. Doch der Vollerwerbsskeptiker hat am Supermarktausgang nichts im Einkaufswagen. Außer vielleicht zwei Bilder fürs Sticker-Album. ChroniBescheidwisser sche sind ständig auf der Hut. Giftstoffe, Geldabwertung, Tigermücke. Informationen sind immer häufiger verkleidete Sorgen. Doch eine Mischung aus unerschütterlichen Vertrauen und atemberaubender Trägheit lässt in meinem Kopf gerne den Gedanken zu: Des wird scho passen. Aktive Ahnungslosigkeit ist ein Luxus, den ich mir gelegentlich gönne. Trost spendet mir auch folgende Überlegung. Ich bin nicht uninformiert, sondern ich habe nur mein Wissen an andere Gehirne ausgelagert.
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