Kurier

Es ist wie eine Art Geheimtipp­durchfall

- VON AXEL N. HALBHUBER axel.halbhuber@kurier.at / Facebook: Axel Halbhuber MARIA GURMANN

Die Frage kam ohne böse

Absicht: „Hast du einen

Geheimtipp für Italien?“Aber manchmal lösen harmlose

Fragen einen Dammbruch im

Gehirn aus. Ich verfiel sofort in einen Wachtraum, in dem sich alle

Erlebnisse, die ich in meinem Italienrei­seleben eingesamme­lt habe, zu einem honigartig­en Brei vereinten und begann rasch zu rezitieren:

Die vielen kleinen Dörfer in den Bergen des Veneto, rund um die Stadt Belluno am Fluss Piave.

Die Stadt Genua, die vollkommen zu Unrecht immer nur Durchgangs­ort ist, man sollte öfter bleiben.

Die Insel Elba, die man einmal im Leben zum Wandern besuchen sollte.

Die Gebirgsket­te Madonie auf Sizilien, wo man nicht wandern soll, sondern im Herbst Spezialitä­ten kosten.

Und die Küstenstad­t Cefalù, in der man zumindest einen Abend verbringen sollte, nicht nur in Palermo.

Aber eben auch wieder Palermo, vor allem die Mumien in der Kapuzinerg­ruft.

Und auf Sizilien immer wieder die Involtini di pesce spada, aber das wissen Sie seit voriger Woche ja schon.

Das wunderbare Kalabrien, vor allem rund um das Capo Vaticano. Gehen Sie nicht nur auf die Stadtsträn­de in Tropea, sondern nehmen Sie den mühsamen Weg auf sich, zu einem der Ministränd­e in den Felsfurche­n rund um das Capo abzusteige­n.

Falls man einmal an die Amalfiküst­e fährt: Weg von der Amalfiküst­e fahren! Hinauf in das Bergdorf Ravello, wo nur ein Bruchteil der Amalfijüng­er hinpilgert, dabei hat man immer von oben den besten Blick auf alles, das man sehen sollte.

Wie man im Golf von Neapel auch nicht auf die Insel Ischia fahren soll, sondern auf dem Weg dorthin aussteigen und die Insel Procida erkunden.

Und so wie man in Rom auf dem Campo de Fiori nicht tagsüber vorbeikomm­en sollte, wenn alle die Blumenstän­de belagern, sondern gegen Abend, wenn die Blumentand­ler ihre Ware zusammenpa­cken und das Wasser der großen Kübel ausschütte­n. Da soll man einen caffè trinken und riechen.

Denn es geht nie nur um den richtigen Ort. Es geht immer auch um die richtige Zeit, um den Moment. Im Leben sowieso, aber auch auf Reisen.

Nathalie Gaglio sperrt ein großes, schweres Eisentor auf, das zu den Stufen auf die Flachdäche­r der einstöckig­en Häuser der Rue des Ponchettes führt. „Bis 1972 war diese Dachpromen­ade öffentlich zugänglich und sehr beliebt zum Flanieren. Dann wurden die Dächer aus Sicherheit­sgründen gesperrt“, erzählt Nathalie, Historiker­in und Fremdenfüh­rerin aus Nizza. Jetzt ist das Dach, auf dem entlang der niedrigen Mauer Kabeln verlegt sind und Klimagerät­e thronen, nur für geführte Touren geöffnet. „Außerdem dürfen die Besitzer der Häuser herauf – nein: sie müssen, weil sie für die Reinigung der Dächer verpflicht­et sind“, sagt Nathalie. Die Rue des Ponchettes ist die erste Straße, die im Jahr 1770 in die Felsen geschlagen wurde. Heute ist hier ein geschichts­trächtiger Ort, kleine Häuser, die die großen Turbulenze­n der Modernisie­rung und Stadtentwi­cklung überstande­n haben. Sie markieren die Teilung des Cours Saleya im Vieux Nice (Altstadt) und der Strandprom­enade.

Rechts fällt der Blick auf die Kiesstränd­e von Nizza. Links sehen die Besucher der Tour „When Nice invented the Riviera“(siehe Tipps) auf die kleinen Boutiquen, Galerien, Cafés, Restaurant­s und das Getümmel auf dem Marché Aux Fleurs Cours Saleya, der Dienstag bis Sonntag von 6.30 bis 12.30 Uhr geöffnet hat. Am Ende des Marktes leuchtet das gelbe Haus, in dem einst der französisc­he Maler und Bildhauer Henri Matisse im dritten Stock wohnte, hervor. Hoch oben auf dem Hügel, plätschert der künstliche Wasserfall –

Cascade de la colline du Château, der in der Nacht prachtvoll illuminier­t wird. Schön ist auch der Blick von oben in den Palmengart­en des Palais de la Prefecture. Dahinter ragt eine Dachwohnun­g mit Türmchen und traumhafte­r Terrasse hervor. Es ist sicher das schönste private Domizil der Stadt – mit freiem Blick aufs Meer und die berühmte, sieben Kilometer lange Promenade des Anglais. Diese Aussicht bleibt leider nur den wohlhabend­en Besitzern dieser Immobilien vorenthalt­en.

Von den Dächern führt Nathalie die kleine Reisegrupp­e zu den Prachtbaut­en der Altstadt. Stolz ist die Französin auf ihre Stadt, die seit Juli 2021 als „Winterurla­ubsstadt an der Riviera“Teil des UNESCO-Weltkultur­erbes ist. Der Spaziergan­g endet auf dem Markt bei einem Socca-Stand. Geduldig reiht man sich in die Schlange ein, um diesen Traditions­imbiss, ein Fladen aus Kichererbs­en, der aussieht wie eine Pizza, zu kosten. Ein wirklicher Leckerbiss­en!

Dachtour und Altstadt

Jeden Montag um 9.30 Uhr, 90 Min., 7 €/P., englischsp­r. Guide, explorenic­ecotedazur.com/en/

Mittagesse­n am Strand vom Beau Rivage

Fisch, Meeresfrüc­hte und viel Sand. 107 Quai des États-Unis, plageniceb­eaurivage.com

Cascade de Gairaut

Am Ende der Bucht kann man den künstliche­n Wasserfall, 1880 bis 1883 gebaut, besuchen

Elisabetta De Luca:

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