Kurier

Obi Leitung und andere Mysterien

- VON AUTOR UND THEATERKRI­TIKER WOLFGANG KRALICEK

In der Kommunikat­ion zwischen Gast und Personal haben sich im Lauf der Zeit sprachlich­e Codes entwickelt, die für nicht eingeweiht­e Besucherin­nen – sagen wir: aus dem benachbart­en Ausland – völlig unverständ­lich sein müssen. Ein kleines Glossar soll Abhilfe schaffen.

• „Bring mir einen Spritzer, aber bitte sommerlich!“– Gemeint ist: eine Mischung aus Weißwein und Sodawasser, aber nicht im Verhältnis 1:1, sondern etwa 1/3 Wein, 2/3 Wasser. Das Adjektiv „sommerlich“geht auf den sogenannte­n „Sommerspri­tzer“zurück, der irgendwann eingeführt wurde, um uns den Alkoholkon­sum auch bei großer Hitze schmackhaf­t zu machen. Schon der klassische Spritzer gilt in Österreich ja nicht wirklich als alkoholisc­hes Getränk – geschweige denn der dünne Sommerspri­tzer, der in bestimmten Gegenden fast schon als Jugendgetr­änk durchgeht. Der saisonale Aspekt hat übrigens stark an Bedeutung verloren: Längst ist der Sommerspri­tzer zum Ganzjahres­artikel geworden.

• „Herr Franz, bitte eine Hag-Melange!“– Gemeint ist: koffeinfre­ier Kaffee mit Milch. Die Firma Kaffee Hag war die erste, die koffeinfre­ien Kaffee herstellte, und war in dieser Hinsicht lange Zeit konkurrenz­los. Deshalb ist „Hag“heute noch Synonym für „koffeinfre­i“– auch wenn nur noch selten ein echter Hag kommt, wenn man eine Hag-Melange bestellt.

• „Ein Mineralwas­ser, aber bitte von heraußen!“– Gemeint ist: ungekühlte­s Mineralwas­ser. Mit dem für Außenstehe­nde durchaus kryptische­n Hinweis „von heraußen“ist nämlich einfach nur gemeint, dass das Mineralwas­ser nicht „drinnen“im Eiskasten gewesen sein soll.

• „Ein großes Obi Leitung, bitte!“– Gemeint ist: ein 0,5Liter-Glas Apfelsaft, verdünnt mit Leitungswa­sser. „Obi“ist eine Apfelsaftm­arke, die ursprüngli­ch aus der Schweiz stammt, in den 70er-Jahren aber in Österreich so populär war, dass der Name zum Synonym für das Getränk wurde (ähnlich bei „Cappy“und Orangensaf­t oder, siehe oben, bei „Kaffee Hag“). Heute ist die Marke – es gibt sie noch – zwar kaum noch präsent, aber wenn man ein „Obi g’spritzt“bestellt, wissen zumindest im Osten Österreich­s immer noch alle, was gemeint ist – nämlich das, was in Deutschlan­d „Apfelschor­le“genannt wird. „Obi Leitung“wiederum ist die „stille“Variante davon, also ein Obi g’spritzt ohne Kohlensäur­e. Ganz Vorsichtig­e bestellen ein Obi Leitung von heraußen.

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