Dancing Kings
Letztens durfte ich im Bundeskanzleramt jenen Raum bestaunen, wo der Ministerrat manchmal auch in der Nacht tagt.
Hier hat man in der Kaiserzeit die Schlachtensiege begossen und später bei den Wahlerfolgen die Korken knallen lassen, es ist also kein nüchterner Raum.
Unwillkürlich stellt man sich die Frage, ob das Zimmer die Menschen inspiriert oder umgekehrt. Man weiß ja, dass die Umgebung großen Einfluss darauf hat, was die Menschen so denken. Ludwig XVI. beispielsweise war im Wald, als er sein Tagebuch ins Vertrauen zog und am 14. Juli 1789, also am Tag der Französischen Revolution, vermerkte: „Nichts“. Fidel Castro entwarf im Kerker seine revolutionäre Gedankenwelt, ein anderer brachte in einer Gefängniszelle das nicht weiter lesenswerte „Mein Kampf“zu Papier.
Goethe sinnierte im Teehaus, Mahler komponierte im Gartenhaus, und mir ist schon in beiden nichts eingefallen.
Viele fragen sich, was sich die Ministerinnen und Minister allgemein so denken. Steht man ihnen nahe, glaubt man, ihr Geist sei beflügelt, schließt man sie von der Wahl aus, umhüllt sie ein tölpelhafter Touch. Man weiß wirklich nicht, was in den Ministerinnen und Ministern so vorgeht, sie erzählen es nicht weiter und sind wahnsinnig diskret.
Herrn Metternich war das ein Dorn im Auge, und so gibt es im Bundeskanzleramt seit dem „Wiener Kongress“einen Raum mit drei unauffälligen Öffnungen im Plafond, wo darüber die Spitzeln saßen und sich die Finger wund schrieben.
Ich kann nicht umhin, auch noch von der größten Herausforderung zu berichten, die man damals zu lösen hatte. Die fünf führenden Herrscher waren schon in Wien eingetrudelt und wollten sich im Prunkraum im heutigen Bundeskanzleramt versammeln. Es gab aber nur drei Türen, und wer sollte wem den Vortritt lassen? Noch heute kann man das Werk bestaunen:
Drei sehende, alte Türen verbinden die Räume. Zwei neue, blinde Türen nicht.
So enterten der Österreicher, der Franzose. der Engländer, der Preuße und der Russe gleichzeitig den Raum, sie waren überglücklich und haben in Folge beim Wiener Kongress sogar getanzt.