Obi Leitung und andere Mysterien
In der Kommunikation zwischen Gast und Personal haben sich im Lauf der Zeit sprachliche Codes entwickelt, die für nicht eingeweihte Besucherinnen – sagen wir: aus dem benachbarten Ausland – völlig unverständlich sein müssen. Ein kleines Glossar soll Abhilfe schaffen.
• „Bring mir einen Spritzer, aber bitte sommerlich!“– Gemeint ist: eine Mischung aus Weißwein und Sodawasser, aber nicht im Verhältnis 1:1, sondern etwa 1/3 Wein, 2/3 Wasser. Das Adjektiv „sommerlich“geht auf den sogenannten „Sommerspritzer“zurück, der irgendwann eingeführt wurde, um uns den Alkoholkonsum auch bei großer Hitze schmackhaft zu machen. Schon der klassische Spritzer gilt in Österreich ja nicht wirklich als alkoholisches Getränk – geschweige denn der dünne Sommerspritzer, der in bestimmten Gegenden fast schon als Jugendgetränk durchgeht. Der saisonale Aspekt hat übrigens stark an Bedeutung verloren: Längst ist der Sommerspritzer zum Ganzjahresartikel geworden.
• „Herr Franz, bitte eine Hag-Melange!“– Gemeint ist: koffeinfreier Kaffee mit Milch. Die Firma Kaffee Hag war die erste, die koffeinfreien Kaffee herstellte, und war in dieser Hinsicht lange Zeit konkurrenzlos. Deshalb ist „Hag“heute noch Synonym für „koffeinfrei“– auch wenn nur noch selten ein echter Hag kommt, wenn man eine Hag-Melange bestellt.
• „Ein Mineralwasser, aber bitte von heraußen!“– Gemeint ist: ungekühltes Mineralwasser. Mit dem für Außenstehende durchaus kryptischen Hinweis „von heraußen“ist nämlich einfach nur gemeint, dass das Mineralwasser nicht „drinnen“im Eiskasten gewesen sein soll.
• „Ein großes Obi Leitung, bitte!“– Gemeint ist: ein 0,5Liter-Glas Apfelsaft, verdünnt mit Leitungswasser. „Obi“ist eine Apfelsaftmarke, die ursprünglich aus der Schweiz stammt, in den 70er-Jahren aber in Österreich so populär war, dass der Name zum Synonym für das Getränk wurde (ähnlich bei „Cappy“und Orangensaft oder, siehe oben, bei „Kaffee Hag“). Heute ist die Marke – es gibt sie noch – zwar kaum noch präsent, aber wenn man ein „Obi g’spritzt“bestellt, wissen zumindest im Osten Österreichs immer noch alle, was gemeint ist – nämlich das, was in Deutschland „Apfelschorle“genannt wird. „Obi Leitung“wiederum ist die „stille“Variante davon, also ein Obi g’spritzt ohne Kohlensäure. Ganz Vorsichtige bestellen ein Obi Leitung von heraußen.
Familienbetrieben kann man darauf hoffen, dass die nächsten Generationen bleiben. Und dann braucht es auch die richtige Kalkulation: Ein guter Koch muss nicht nur kochen können, sondern auch ein guter Wirtschafter sein. Die Zahlen sind genauso wichtig wie die Zutaten.
Doch zählen auch bei Ihnen einige Lokale zum mittleren Segment. Wie funktionieren diese dann?
Stimmt, etwa in Las Vegas. Die funktionieren, weil da genug Touristen sind. Sonst tun auch wir uns in diesem Segment schwer. Und generell, ist es schon auch ein wenig unsere Schuld, wenn wir nicht das Personal haben, das wir brauchen.
Inwiefern?
Die Jungen brauchen Fortschritt und Perspektive. In unserem Unternehmen tun wir uns da freilich leichter, weil wir viele Lokale haben und die Mitarbeiter dadurch viele Möglichkeiten vorfinden, sich zu entwickeln. Trotzdem sind wir ein Familienunternehmen geblieben.
Bei Ihnen arbeiten rund 5.000 Menschen. Das geht wohl ein klein wenig darüber hinaus.
Im inneren Kern sind wir Familie, mein Bruder Klaus etwa führt alle Lokale auf Flugplätzen – auch das Wiener Lokal, das sehr gut läuft. Unlängst eröffneten wir eines am Airport auf Bali. Mein Sohn Byran hat drei Monate im Steirereck verbracht und soll künftig mehr Verantwortung im Unternehmen übernehmen. Und wir haben viele Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten mit uns arbeiten, sie sind Familie, auch wenn wir nicht blutsverwandt sind.
Sie erweitern derzeit Ihren Betrieb erneut um einige Dimensionen.
Ja, derzeit planen wir unser größtes Restaurant in Malibu. Der Architekt Frank Gehry, der schon das Guggenheim-Museum in Bilbao gebaut hat, entwirft es, in rund zwei Jahren wird es fertig sein.
Ist das Ihr finales Projekt, treten Sie dann kürzer?
Frank ist 94, ich 73. Der Pachtvertrag wurde auf 50 Jahre abgeschlossen, mit einer Verlängerungsoption für 25 Jahre. Interessant, dass keiner nach unserem Alter gefragt hat. Aber, man sieht uns eben an: Wir haben noch große Pläne.
Zurück zum Personalmangel: Was kann ein kleiner Betrieb denn dann eigentlich für Perspektiven geben?
Allen Jobs Bedeutung beimessen, die wesentlich für den Betrieb sind. Köche denken oft, Gäste kämen nur wegen ihnen. Das stimmt nicht. Der Kellner ist genauso wichtig wie der Koch.
Kellner werden in der Regel aber schlechter bezahlt als Köche.
In Amerika ist es ein anderes System. Die Kellner verdienen dort mehr als die Köche, weil das Trinkgeld höher ausfällt. Macht eine Rechnung 200 Dollar aus, geben die meisten rund 40 Dollar Trinkgeld.
In Österreich sind rund 10 Prozent der Rechnung als Trinkgeld üblich. Aus der Gastronomie hört man aber, dass es sich bereits bei nur rund 5 Prozent eingependelt hat. Das ist natürlich wenig. In Amerika wird ein Teil des Trinkgelds auch aufgeteilt auf Stationen, die nicht direkt am Gast sind, etwa Bar oder Empfang. Aber mindestens 50 Prozent bleiben dem Kellner.
Welche ist die aktuell spannendste kulinarische Stadt?
San Sebastián in Spanien. Dort bekommt man beste Produkte, es gibt einfache Lokale wie Tapas-Bars aber auch viele Sternerestaurants. Mir gefällt diese Mischung. Wobei auch Tokio spannend ist, da es dort viele verschiedene Restaurants gibt.
Nun ist der kulinarische HipnessFaktor ja ein Wanderpokal. Was kommt in Zukunft auf uns zu? Stimmt. Vor zehn Jahren etwa, hat kaum jemand über Paris als Hotspot gesprochen. Da war London hip. Es stimmte auch: Da hat sich tatsächlich viel getan. Aber jetzt kommt Paris wieder. Es sind immer Zyklen, die durchlaufen werden.
Und wo steht Österreich?
Österreichische Küche ist weltweit bekannt, aber es gibt kaum österreichische Lokale im Ausland – wie wir es von den Franzosen kennen. Wir kochen zwar österreichische Gerichte, aber nur punktuell. Mir geht es um den Mix: In Los Angeles haben wir Kulturen von Korea Town über China Town bis Little Tokio. Ich möchte diese Internationalität abbilden. Das sorgte schon vor Jahrzehnten für Überraschungen.
Inwiefern?
Ich habe 1982 rohen Fisch serviert. Zu dieser Zeit eine Neuheit. Keine Restaurants, außer japanische, hatten das gemacht. Überrascht habe ich auch 1983 mit der ersten Fusions-Küche im „Chinois“.
Und womit überraschen Sie jetzt?
Wir haben kürzlich ein Lokal in Riad aufgesperrt. Dort kreierten wir etwa eine Pastilla mit Lamm, Datteln und Erdnüssen. Aber beim Rest verlassen wir uns auf Altbewährtes – wie etwa den Kaiserschmarrn.
Ist das Ihr liebstes Essen, abseits des Schnitzels?
Viel mehr liebe ich Schokolade.
Was ist immer im Kühlschrank? Champagner. Immer. Und Früchte vom Bauernmarkt.
Ansonsten?
Nicht viel. Meine Frau und meine Kinder sagen oft: Papa, da ist nichts zum Essen daheim!
Und wen möchten Sie eines Tages noch bekochen?
Den Papst. Da komme ich vielleicht noch in den Himmel.