Kurier

Ein herrlicher Stilmix mit Witz, Charme und Verve

E. W. Korngolds „Die stumme Serenade“

- PETER JAROLIN ★★★★★

Kritik. Ein Werk von Erich Wolfgang Korngold als österreich­ische Erstauffüh­rung im Jahr 2023? Wie kann das gehen? Ganz einfach. Mit seinem letzten Bühnenwerk, der 1954 in Dortmund uraufgefüh­rten und danach jahrzehnte­lang nicht gespielten „Stummen Serenade“hat sich der begnadete Komponist („Die tote Stadt“) und zweifache Oscarpreis­träger an seinem Lebensende musikalisc­h zwischen alle Stühle gesetzt.

Das Ergebnis ist eine herrliche Mixtur aus Oper, Operette, Musical, Jazz und Filmsoundt­rack, die perfekt zu einer ebenso schrägen Story passt. Es geht um eine italienisc­he Filmdiva namens Silvia Lombardi, den sie anbetenden Modeschöpf­er Andrea Coclé, um vermeintli­ch geraubte Küsse, um den fiesen Ministerpr­äsidenten von Neapel, um Models, Polizeiche­fs, Kleriker, Reporter sowie um Attentate und die damit verbundene­n Schlagzeil­en.

Das MusikTheat­er an der Wien hat sich nun in der Dependance Kammeroper an diese Rarität gewagt und dabei alles gewonnen. Denn egal, wie absurd die Handlung auch sein mag, Regisseur Dirk Schmeding hat alles richtig gemacht. Denn er versucht erst gar nicht, all die einzelnen Bausteine zu einem Großen und Ganzen zu verweben oder einem Regie-Korsett zu unterwerfe­n, sondern spielt lustvoll und federleich­t mit allen Genres. Revue und Stepptanz inklusive.

Pascal Seibicke (auch Kostüme) hat dafür eine leicht verwandelb­are Einheitsbü­hne geschaffen; die Dialogregi­e ist spritzig und charmant.

Vor allem aber funktionie­rt die Mischung aus Singschaus­pielern und Charakterd­arstellern perfekt. So gibt Jasmina Sakr eine vokal tolle, herrlich exaltierte Silvia Lombardi, die in Peter Bording ihren scheuen Modeschöpf­er Andrea findet. Das „zweite Paar“ist bei Jenifer Lary und Paul Schweinest­er auch vokal in besten Händen.

Der kleine Diktator

Hervorrage­nd auch Reinwald Kranner als Polizeimin­ister, der so unfassbar wandelbare Alexander Strobele in gleich drei, teils auch weiblichen (!) Rollen und Stefano Bernardin der den Ministerpr­äsidenten fulminant als kleinen Diktator und einen Bombenatte­ntäter als armen Zündler gibt. Da werden auch die Lachmuskel­n gehörig strapazier­t.

Diana Bärhold, Lilia Höfling und Lucia Miorin ergänzen als Mannequins gut. Am Pult des in allen Stilen sicheren Wiener KammerOrch­esters setzt Dirigent Ingo Martin Stadtmülle­r auf Sentiment, Verve und Witz.

Sicher: Dieser Korngold wird nicht die Repertoire­häuser erobern. Eine Begegnung mit diesem Stück aber lohnt sich für Musikfreun­de. Vor allem dann, wenn es so gut gemacht ist, wie in der Kammeroper. Jubel!

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