Ein herrlicher Stilmix mit Witz, Charme und Verve
E. W. Korngolds „Die stumme Serenade“
Kritik. Ein Werk von Erich Wolfgang Korngold als österreichische Erstaufführung im Jahr 2023? Wie kann das gehen? Ganz einfach. Mit seinem letzten Bühnenwerk, der 1954 in Dortmund uraufgeführten und danach jahrzehntelang nicht gespielten „Stummen Serenade“hat sich der begnadete Komponist („Die tote Stadt“) und zweifache Oscarpreisträger an seinem Lebensende musikalisch zwischen alle Stühle gesetzt.
Das Ergebnis ist eine herrliche Mixtur aus Oper, Operette, Musical, Jazz und Filmsoundtrack, die perfekt zu einer ebenso schrägen Story passt. Es geht um eine italienische Filmdiva namens Silvia Lombardi, den sie anbetenden Modeschöpfer Andrea Coclé, um vermeintlich geraubte Küsse, um den fiesen Ministerpräsidenten von Neapel, um Models, Polizeichefs, Kleriker, Reporter sowie um Attentate und die damit verbundenen Schlagzeilen.
Das MusikTheater an der Wien hat sich nun in der Dependance Kammeroper an diese Rarität gewagt und dabei alles gewonnen. Denn egal, wie absurd die Handlung auch sein mag, Regisseur Dirk Schmeding hat alles richtig gemacht. Denn er versucht erst gar nicht, all die einzelnen Bausteine zu einem Großen und Ganzen zu verweben oder einem Regie-Korsett zu unterwerfen, sondern spielt lustvoll und federleicht mit allen Genres. Revue und Stepptanz inklusive.
Pascal Seibicke (auch Kostüme) hat dafür eine leicht verwandelbare Einheitsbühne geschaffen; die Dialogregie ist spritzig und charmant.
Vor allem aber funktioniert die Mischung aus Singschauspielern und Charakterdarstellern perfekt. So gibt Jasmina Sakr eine vokal tolle, herrlich exaltierte Silvia Lombardi, die in Peter Bording ihren scheuen Modeschöpfer Andrea findet. Das „zweite Paar“ist bei Jenifer Lary und Paul Schweinester auch vokal in besten Händen.
Der kleine Diktator
Hervorragend auch Reinwald Kranner als Polizeiminister, der so unfassbar wandelbare Alexander Strobele in gleich drei, teils auch weiblichen (!) Rollen und Stefano Bernardin der den Ministerpräsidenten fulminant als kleinen Diktator und einen Bombenattentäter als armen Zündler gibt. Da werden auch die Lachmuskeln gehörig strapaziert.
Diana Bärhold, Lilia Höfling und Lucia Miorin ergänzen als Mannequins gut. Am Pult des in allen Stilen sicheren Wiener KammerOrchesters setzt Dirigent Ingo Martin Stadtmüller auf Sentiment, Verve und Witz.
Sicher: Dieser Korngold wird nicht die Repertoirehäuser erobern. Eine Begegnung mit diesem Stück aber lohnt sich für Musikfreunde. Vor allem dann, wenn es so gut gemacht ist, wie in der Kammeroper. Jubel!