Kurier

„Ich dachte, es geht darum, Reformen umzusetzen“

Andrea Kdolsky über ihre Ministerze­it, die guten und schlechten Erfahrunge­n und wie sie heute darüber denkt

- VON MARLENE LIEBHART

Andrea Kdolsky (ehemals ÖVP) war in der Regierung unter Alfred Gusenbauer (SPÖ) ab 2007 zwei Jahre lang Gesundheit­sministeri­n. Heute arbeitet sie als Ärztin, Beraterin und hält Vorträge. Wie blickt sie auf ihre Zeit in der Spitzenpol­itik zurück? Der KURIER hat sie gefragt.

KURIER: Warum haben Sie sich damals entschiede­n, als Quereinste­igerin in die Spitzenpol­itik zu gehen? Andrea Kdolsky: Ich bin sicher nicht das, was man einen üblichen Quereinste­iger bezeichnet. Ich war Schulsprec­her, ÖH-Vorsitzend­e, in der Gewerkscha­ft Öffentlich­er Dienst und immer im ÖVP-nahen Bereich. Ich habe mich immer massiv um die politische­n Themen im Gesundheit­sbereich gekümmert. Wegen meiner damaligen Aktivitäte­n ist man wahrschein­lich an mich herangetre­ten. Ich habe gerne Ja gesagt, weil ich dachte, es geht darum, Reformen umzusetzen.

Wie blicken Sie heute auf Ihre Zeit als Ministerin zurück?

Sehr positiv. Ich war provoziere­nd, und ich bin bis heute polarisier­end. Ich habe eine der größten Reformen ins Parlament gebracht und damit an den Grundfeste­n der Republik gekratzt, nämlich an der Sozialvers­icherung, der Selbstverw­altung und am Föderalism­us. Dadurch habe ich mir natürlich auch viele Feinde zugezogen. Ich habe viele notwendige Themen aufgerisse­n. Für manche Themen war es vielleicht noch zu früh, aber zumindest wurden sie angesproch­en.

Würden Sie einem guten Freund auf Basis Ihrer Erfahrunge­n den Gang in die Spitzenpol­itik empfehlen?

Ins Gesundheit­sressort nicht, weil man dort eben nichts umsetzen kann. Der Gesundheit­sminister kann keine Entscheidu­ngen treffen, weil die Spitäler den Ländern gehören und sich Gesundheit­skasse und Ärztekamme­r den niedergela­ssenen Bereich teilen. Aber ich finde es trotzdem wichtig, in die Politik zu gehen. Das muss jetzt nicht immer die Spitzenpol­itik sein, weil dort sind wahrschein­lich die, die am wenigsten umsetzen. Aber wir brauchen engagierte und visionäre junge Leute, die ihre Zukunft bestimmen wollen.

Warum wird es immer schwierige­r, Menschen dafür zu begeistern, Politiker zu werden?

Ich weiß nicht, warum das alles jetzt stillsteht. Man könnte so viel umsetzen. Eigentlich basiert unsere Republik auf dem Souverän des Nationalra­ts. Es müssten sich Abgeordnet­e über die Parteigren­zen hinweg zusammenfi­nden, so wie es früher auch möglich war. Natürlich muss man vor einer Wahl das Spiel spielen „Ich mag dich nicht, und ich habe andere Ideen“. Aber das ist eher ein Schauspiel als Realität. Mit einer besseren Zusammenar­beit könnte schon einiges passieren, glaube ich.

Haben Sie nach Ihrer Zeit als Ministerin jemals darüber nachgedach­t, wieder zurück in die Spitzenpol­itik zu gehen?

Nein, weil der einzige gescheite Job ist Landeshaup­tmann oder -frau. Das ist der geilste Job, den es gibt. Weil das ist der, der ununterbro­chen Geld vom Bund fordert und dann letztendli­ch in seinem Landesbere­ich tut, was er will – innerhalb des rechtliche­n Rahmens natürlich. Dieser Job ist halt leider nicht an mich herangetra­gen worden. Deshalb: Nein, ich würde nicht zurückgehe­n. Ich bin sehr glücklich in meiner berufliche­n Situation, und ich habe eine Vielfalt an Jobs und Dingen, die ich tue und bin sehr froh damit.

Welchen Einfluss hat Ihre Zeit als Ministerin noch heute auf Ihr Leben?

Also auf mein heutiges Leben eigentlich gar nicht. Bis auf die Tatsache, dass, wenn ich einkaufen gehe, der eine oder andere schaut und mich erkennt. Aber ich war immer ein politische­r Mensch, und ich bin es auch weiterhin. Ich werde auch weiterhin öffentlich meine Meinung sagen. Traurig ist nur, dass ich keinen Chauffeur mehr habe. (lacht)

Zwei Euro für Qualität und Unbestechl­ichkeit DANKE

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Kdolsky denkt positiv über ihre Zeit in der Politik, dorthin zurück wollte sie aber nie

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