Was Chile und Österreich verbindet
Eine zentrale Figur war Bruno Kreisky, der Visa für politisch Verfolgte ausstellen ließ
Geschichte. Die österreichische Nachkriegszeit war vorüber, Tristesse wich Optimismus und Aufbruchsstimmung, der Wohlstand wuchs. Das brachte auch Fragen nach sozialer Gerechtigkeit mit sich, und immer mehr (vor allem) junge Menschen kritisierten die herrschenden Machtverhältnisse. „Es war das lange Jahr 1968“, erklärt Berthold Molden, Historiker im Förderverein des Lateinamerika-Instituts.
Revolutionäre wie Kubas Fidel Castro faszinierten, ebenso Salvador Allende, dessen sozialistische Regierung auf demokratischem Weg an die Macht kam: Zeigte sich in Lateinamerika eine neue, gerechtere Möglichkeit, eine Gesellschaft zu organisieren?
„Grundsätzlich stand man dem Kommunismus in Österreich skeptisch gegenüber. Die Allende-Regierung aber wurde als moderner, linker Weg in die Zukunft gesehen und war daher für viele Junge attraktiv“, erklärt Molden. Mit dem Projekt „Cybersyn“gab es etwa bereits 1971 die Idee, die Wirtschaft des Landes mithilfe von Computern zu steuern. „Aber im Grunde hatte Allende auch ein ähnliches Programm wie das Rote Wien: Wohnen, Gesundheit und Bildung“, so Molden.
Eine der zentralen Figuren in Österreich war Bruno Kreisky, der sich nach dem Putsch für das Ausstellen der Visa einsetzte: „Er war überzeugter Antifaschist, Antinazi, und er hat selbst im Exil gelebt.“
Und wie ist Allendes Bilanz in der Rückschau zu bewerten? Freilich habe sich das Leben nicht in allen Bereichen so verbessert, wie geplant, sagt Molden. „Das lag aber auch am Embargo der USA und an subversiven rechten Gruppierungen, die Allendes Bemühungen konterkariert haben.“Der Zugang zu Bildung habe sich verbessert, Gewerkschaften wurden aufgewertet. „Doch Pinochet machte alles wieder rückgängig.“
Allende, der Putsch, die Diktatur: Aufgrund ihrer Tragweite sind sie in der Diaspora heute noch lebendig. „Auch in der zweiten und dritten Generation sind die Themen extrem präsent“, sagt Molden.