Künstliche Intelligenz für Verbrecher
Computerhilfe. Terroristen, das organisierte Verbrechen, aber auch einfache Bürger mit krimineller Energie profitieren von den neuen technischen Möglichkeiten. Die Polizei befürchtet düstere Zeiten
Es war vermutlich nur der Scherz eines einfachen Bürgers, der zeigte, was schon jetzt alles möglich ist. Ein mit künstlicher Intelligenz gefaktes Bild zeigte eine Explosion vor dem US-Pentagon. Das falsche Foto verbreitete sich im Mai rasend schnell auf sozialen Medien und erreichte sogar staatliche russische Medien. Der Aktienkurs S&P 500, der die wichtigsten US-Unternehmen bündelt, sank um 0,3 Prozent. Ein zeitweiser Multi-Millionen-DollarVerlust für die Anleger war die unmittelbare Folge.
Doch das war nur ein kleines Vorspiel auf das, was da noch kommen wird. (Organisiertes) Verbrechen oder Terrorismus werden sich in den nächsten Jahren schlagartig verändern. Benötigte der Islamische Staat etwa noch eine riesige Propagandaabteilung mit Protagonisten aus aller Herren Länder, so kann dies künftig lediglich eine Person mithilfe künstlicher Intelligenz vollbringen, fürchten Polizei-Insider.
Sperren umgehbar
Zwar haben Programme wie ChatGPT Sperren, um kriminelle Machenschaften zu verhindern, doch diese lassen sich relativ leicht umgehen. So erstellt das Programm bedenkenlos ein BetrügereMail, mit dem nigerianische Kriminelle in der Vergangenheit schon bis zu zwei Millionen Euro von nur einem einzigen Opfer erbeutete hatten. Nur ist das künstlich erzeugte Mail in besserem Deutsch als das Original. Die künstliche Intelligenz kann sogar dabei Hilfe geben, welche Chemikalie beim Bombenbau fehlt.
Die Demokratie braucht ein Verteidigungsschild wegen dieser Bedrohungen, hieß es bei einem Panel des Joanneum Research in Alpbach. Zum Vergleich: Österreichs Innenministerium hat ein im EU-Vergleich rekordverdächtiges Jahresbudget von 4,7 Milliarden Euro, die Organisierte Kriminalität allein in Europa geschätzte Einnahmen von 140 Milliarden, weltweit gibt sie eine Billion für Bestechungsgelder aus.
Obwohl hierzulande viel Geld in die Hand genommen wird und Innenminister Gerhard Karner gerade eine Kriporeform mit mehr Personal im Kampf gegen die OK und Cyber-Angriffe in die Wege geleitet hat, besteht hier noch keine Waffengleichheit. Die Ermittler hoffen aber mit den Veränderungen auf eine entsprechende Verbesserung.
Die Kriminalisten setzen sogar auf die Hilfe von NGOs wie Bellingcat, weil diese mehr Möglichkeiten haben als die Exekutive. Die Polizeibehörde Europol warnte kürzlich vor den Möglichkeiten, die KI Kriminellen bietet – sie spricht gar von einem „düsteren Ausblick“. Betrug, Terrorismus, Propaganda und gezielte Desinformation wären die größten Felder für den Einsatz des digitalen Helferleins.
Selbst Menschen ohne großes technisches Wissen könnten so zu Cyber-Kriminellen werden, heißt es in dem Bericht, der wegen seiner Brisanz teilweise unter Verschluss genommen wurde. ChatGPT hilft etwa auch Unbedarften beim Aufbau von Fake-Shops.
Das Anwerben von Terroristen oder das Ausspähen von Terrorzielen sind weitere Einsatzmöglichkeiten. Diese Ideen stammen übrigens von ChatGPT selbst, als das System von einem Mitarbeiter des Innenministeriums nach potenziellen Missbrauchsmöglichkeiten befragt wurde.
Gefälschte Stimmen
Doch auch so genannte Deepfakes können sowohl für die Manipulation von Wahlen als auch für Betrügereien eingesetzt werden. Dabei werden Politikern und Schauspielern in Videos Aussagen in den Mund gelegt, die echt sein könnten. Die gefälschten Aufnahmen können peinlich bis hochkriminell sein.
So schafften es Verbrecher sogar, mit der computerveränderter Stimme des Chefs, einen Dubaier Bankmitarbeiter dazu zu bringen, 35 Millionen Dollar auf ihre Konten zu überweisen.
Die stärksten Waffe gegen all dies wäre gesundes Misstrauen. Doch Umfragen haben gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Internet-Nutzer noch nie eine Nachricht aus den sozialen Medien jemals auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft hat. Das spielt Betrügern und (staatlichen) Desinformanten gehörig in die Hände. Auch deshalb funktionieren noch heute Phishingmails, die wortident sind mit jenen vor 25 Jahren.