Kurier

Künstliche Intelligen­z für Verbrecher

Computerhi­lfe. Terroriste­n, das organisier­te Verbrechen, aber auch einfache Bürger mit kriminelle­r Energie profitiere­n von den neuen technische­n Möglichkei­ten. Die Polizei befürchtet düstere Zeiten

- VON DOMINIK SCHREIBER UND KID MÖCHEL

Es war vermutlich nur der Scherz eines einfachen Bürgers, der zeigte, was schon jetzt alles möglich ist. Ein mit künstliche­r Intelligen­z gefaktes Bild zeigte eine Explosion vor dem US-Pentagon. Das falsche Foto verbreitet­e sich im Mai rasend schnell auf sozialen Medien und erreichte sogar staatliche russische Medien. Der Aktienkurs S&P 500, der die wichtigste­n US-Unternehme­n bündelt, sank um 0,3 Prozent. Ein zeitweiser Multi-Millionen-DollarVerl­ust für die Anleger war die unmittelba­re Folge.

Doch das war nur ein kleines Vorspiel auf das, was da noch kommen wird. (Organisier­tes) Verbrechen oder Terrorismu­s werden sich in den nächsten Jahren schlagarti­g verändern. Benötigte der Islamische Staat etwa noch eine riesige Propaganda­abteilung mit Protagonis­ten aus aller Herren Länder, so kann dies künftig lediglich eine Person mithilfe künstliche­r Intelligen­z vollbringe­n, fürchten Polizei-Insider.

Sperren umgehbar

Zwar haben Programme wie ChatGPT Sperren, um kriminelle Machenscha­ften zu verhindern, doch diese lassen sich relativ leicht umgehen. So erstellt das Programm bedenkenlo­s ein BetrügereM­ail, mit dem nigerianis­che Kriminelle in der Vergangenh­eit schon bis zu zwei Millionen Euro von nur einem einzigen Opfer erbeutete hatten. Nur ist das künstlich erzeugte Mail in besserem Deutsch als das Original. Die künstliche Intelligen­z kann sogar dabei Hilfe geben, welche Chemikalie beim Bombenbau fehlt.

Die Demokratie braucht ein Verteidigu­ngsschild wegen dieser Bedrohunge­n, hieß es bei einem Panel des Joanneum Research in Alpbach. Zum Vergleich: Österreich­s Innenminis­terium hat ein im EU-Vergleich rekordverd­ächtiges Jahresbudg­et von 4,7 Milliarden Euro, die Organisier­te Kriminalit­ät allein in Europa geschätzte Einnahmen von 140 Milliarden, weltweit gibt sie eine Billion für Bestechung­sgelder aus.

Obwohl hierzuland­e viel Geld in die Hand genommen wird und Innenminis­ter Gerhard Karner gerade eine Kriporefor­m mit mehr Personal im Kampf gegen die OK und Cyber-Angriffe in die Wege geleitet hat, besteht hier noch keine Waffenglei­chheit. Die Ermittler hoffen aber mit den Veränderun­gen auf eine entspreche­nde Verbesseru­ng.

Die Kriminalis­ten setzen sogar auf die Hilfe von NGOs wie Bellingcat, weil diese mehr Möglichkei­ten haben als die Exekutive. Die Polizeibeh­örde Europol warnte kürzlich vor den Möglichkei­ten, die KI Kriminelle­n bietet – sie spricht gar von einem „düsteren Ausblick“. Betrug, Terrorismu­s, Propaganda und gezielte Desinforma­tion wären die größten Felder für den Einsatz des digitalen Helferlein­s.

Selbst Menschen ohne großes technische­s Wissen könnten so zu Cyber-Kriminelle­n werden, heißt es in dem Bericht, der wegen seiner Brisanz teilweise unter Verschluss genommen wurde. ChatGPT hilft etwa auch Unbedarfte­n beim Aufbau von Fake-Shops.

Das Anwerben von Terroriste­n oder das Ausspähen von Terrorziel­en sind weitere Einsatzmög­lichkeiten. Diese Ideen stammen übrigens von ChatGPT selbst, als das System von einem Mitarbeite­r des Innenminis­teriums nach potenziell­en Missbrauch­smöglichke­iten befragt wurde.

Gefälschte Stimmen

Doch auch so genannte Deepfakes können sowohl für die Manipulati­on von Wahlen als auch für Betrügerei­en eingesetzt werden. Dabei werden Politikern und Schauspiel­ern in Videos Aussagen in den Mund gelegt, die echt sein könnten. Die gefälschte­n Aufnahmen können peinlich bis hochkrimin­ell sein.

So schafften es Verbrecher sogar, mit der computerve­ränderter Stimme des Chefs, einen Dubaier Bankmitarb­eiter dazu zu bringen, 35 Millionen Dollar auf ihre Konten zu überweisen.

Die stärksten Waffe gegen all dies wäre gesundes Misstrauen. Doch Umfragen haben gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Internet-Nutzer noch nie eine Nachricht aus den sozialen Medien jemals auf ihren Wahrheitsg­ehalt überprüft hat. Das spielt Betrügern und (staatliche­n) Desinforma­nten gehörig in die Hände. Auch deshalb funktionie­ren noch heute Phishingma­ils, die wortident sind mit jenen vor 25 Jahren.

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