Kurier

Das Geschäft mit dem Tod

Dunkle Spuren. Eine Frau wird in ihrem Auto mit einer Fackel angezündet und stirbt. Rasch stellt sich heraus, dass sie in ihren letzten Stunden einen großen Gold-Deal abwickeln wollte. Dazu sollte es niemals kommen

- VON STEPHANIE ANGERER UND TOBIAS PEHBÖCK

Es ist mitten in der Nacht, als er die bewusstlos­e Frau ins Auto zerrt. Er gurtet sie an, übergießt sie mit Benzin und wirft eine brennende Signalfack­el in den Fußraum des Mercedes. Mitten auf der Kreuzung sollte ihr Leben ausgelösch­t werden. Genauso wie jede Spur, die ihn später entlarven könnte.

Diese Nacht auf den 16. März 2012 wird später als eines der spektakulä­rsten Verbrechen in die Tiroler Kriminalge­schichte eingehen. Polizisten waren es, die die tote Frau an jenem Tag vor elf Jahren in der Tiroler Gemeinde Wiesing im Auto gefunden haben. Der Grund war ein Anruf. Eine Frau hatte sich in der Polizeiins­pektion beschwert, dass ein Auto mitten auf der Kreuzung nahe der Achenseebu­ndesstraße den Verkehr blockieren würde.

Vermissten­anzeige

Die Leiche hätten die Polizisten wohl aber auch ohne den Anruf entdeckt. Die Tochter der toten Frau war nämlich bereits auf der Suche nach ihrer Mutter. Nur Minuten vor dem Anruf hatte sie auf der Polizeiins­pektion eine Vermissten­anzeige aufgegeben. „Die Frau hat am Vorabend zu ihrer Tochter gesagt, sie müsse noch schnell etwas Geschäftli­ches erledigen, sie sei aber bald wieder zurück“, sagt Christoph Hundertpfu­nd, damals stellvertr­etender Leiter des Landeskrim­inalamts Tirol. Bei ihrem nächtliche­n Treffen dürfte die Frau auch zwei Taschen mit acht Goldbarren – die sie zuvor aus der Bank geschafft hatte – mitgenomme­n haben.

Als von ihrer Mutter am nächsten Morgen immer noch jedes Lebenszeic­hen fehlte, hatte die Tochter bereits eine schlimme Vorahnung. Eine Ahnung, die sich nur Stunden später bewahrheit­en sollte. Bei der toten Frau handelte es sich tatsächlic­h um Erika H., die in der Nachbargem­einde als Bankfilial­leiterin arbeitete. Der Tod der 49-Jährigen machte in der 2.000-Seelen-Gemeinde schnell die Runde, zumal sie sehr beliebt war. „Die Erika war immer eine hochanstän­dige und korrekte Frau, die hat genau gewusst, was sie tut“, sagt etwa Resi, eine Bewohnerin.

Während im Dorf erste Spekulatio­nen über den mutmaßlich­en Mörder aufkamen, nahm das Landeskrim­inalamt die Ermittlung­en auf. Warum die 49Jährige sterben musste, war zunächst völlig unklar.

Ein kleiner Zettel, der in einer Pfütze in der Nähe des Tatorts gefunden wurde, lieferte den Ermittlern schließlic­h den entscheide­nden Hinweis. Es war eine Bank-Quittung. Rasch stellte sich heraus, dass die Bankbeamti­n in ihren letzten Stunden wohl ein großes Goldgeschä­ft abwickeln wollte. Dazu ist es aber nie gekommen. „Es stand zwar ein Name auf der Quittung, den konnten wir aber nicht mehr lesen. Dafür half uns das Geburtsdat­um, das darauf stand, weiter“, sagt Hundertpfu­nd.

Zweiter Mord verhindert

Das Geburtsdat­um war auch im Handy des Opfers gespeicher­t, das die Polizisten direkt bei der Leiche im Auto fanden – in unversehrt­em Zustand. Dem Täter dürfte nämlich ein entscheide­nder Fehler unterlaufe­n sein: Die Fackel brannte nur wenige Minuten, da die Fenster im Auto geschlosse­n waren. Es war demnach zu wenig Sauerstoff vorhanden, um Leiche und Auto gänzlich abzufackel­n. Erika H. starb dennoch an einer Kohlenmono­xidvergift­ung.

Die SMS, die im Handy des Opfers gespeicher­t waren, brachten die Ermittler schließlic­h auch auf den Täter: Es war Heinz S., selbst Polizist.

Damit nicht genug: Wie die Polizei herausfand, dürften Opfer und Täter auch ein Paar gewesen sein. Nur fünf Tage nach der Tat wurde der 51-Jährige festgenomm­en. Bei der Einvernahm­e eskalierte die Situation dann aber: Heinz S. sprang auf und wollte flüchten. Es folgte eine Verfolgung­sjagd, die sich wohl für immer in das Gedächtnis der Beamten eingebrann­t hat: Einer der Polizisten verlor nämlich – kurz bevor er Heinz S. erreichte – seine Waffe. Der Verdächtig­e ergriff die Pistole, hielt sie dem Kollegen an die Brust – und drückte ab.

Nur eine Sicherheit­svorkehrun­g an der Waffe verhindert­e einen zweiten Mord. Beim Gerichtspr­ozess musste sich der 51-jährige Polizist deswegen auch wegen Mordversuc­hs verantwort­en. Heinz S. wurde schließlic­h zu lebenslang­er Haft verurteilt. Das Urteil wurde jedoch nie rechtskräf­tig – er erhängte sich in seiner Zelle.

„Die Zeit nach der Urteilsver­kündung ist für Suizide besonders heikel. Ob das als Schuldeing­eständnis zu werten ist, weiß nur Heinz S.“, macht Psychiater­in Sigrun Roßmanith bewusst.

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