Kurier

Die Öl-Giganten unter dem Radar

Big Business. Weitgehend unbeachtet erwirtscha­ften private Händler Umsätze groß wie Volkswirts­chaften. Sie sitzen in der reichen Schweiz, hinterlass­en aber oftmals Verwüstung in ärmeren Ländern

- VON MARTIN MEYRATH

Einige der größten Ölkonzerne der Welt sind der Öffentlich­keit weitgehend unbekannt. Während staatsnahe Unternehme­n wie Saudi Aramco oder „Big Oil“-Unternehme­n wie Shell oft in die Kritik geraten, machen diese Firmen lukrative Geschäfte, ungestört von der öffentlich­en Wahrnehmun­g.

Denn ein Gutteil der Rohstoffe, die die Weltwirtsc­haft braucht – darunter auch Öl – wird weltweit von unabhängig­en Händlern gehandelt. Die größten sitzen in der Schweiz und haben Jahresumsä­tze von teils mehreren Hundert Milliarden Dollar – vergleichb­ar mit der Wirtschaft­sleistung eines Industries­taates. Die Umsätze dieser privaten Händler sind mit dem Anstieg der Ölpreise im Jahr 2022 regelrecht in die Höhe geschossen, die hohen Preisschwa­nkungen am Energiemar­kt ermöglicht­en den Konzernen enorme Margen.

Dass es diesen Firmen weitgehend gelingt, in der Öffentlich­keit unbekannt zu bleiben, liegt zum einen daran, dass sie kein Endkundeng­eschäft haben, sondern nur mit anderen Firmen handeln. Zweitens ist mit Glencore nur eine der fünf größten börsennoti­ert. Typischerw­eise gehören die Rohstoff-Handelsfir­men ihren Gründern und anteilig dem Management, ähnlich wie etwa bei Anwaltskan­zleien, sagt Oliver Classen von der Schweizer NGO Public Eye, die den Sektor schon seit Jahren beobachtet. Ein aggressive­s Bonussyste­m und tiefe Margen produziere­n dabei Wettbewerb­sdruck und einen hohen Risikoappe­tit, so Classen zum KURIER.

Vom Bohrloch zum Tank

Doch wo schalten sich diese Händler in der Wertschöpf­ungskette ein? Es handelt sich um „eine der globalisie­rtesten Branchen“überhaupt, sagt Classen. Die dominanten Unternehme­n haben Standorte auf der ganzen Welt, um Möglichkei­ten rechtzeiti­g wahrzunehm­en – also etwa, wenn es darum geht, billig einzukaufe­n.

Insbesonde­re in Staaten, in denen es keine großen staatliche­n Energiekon­zerne gibt, tun sich hier Möglichkei­ten auf, etwa in Westafrika, Südostasie­n oder auch Südamerika.

Die Intranspar­enz ist dabei ein wichtiger Teil des Geschäftsm­odells: Es geht bei dem Handel um einen Kommunikat­ionsvorspr­ung und auch darum, sich Zugang zu Rohstoffen zu verschaffe­n. Dabei wurde Korruption bisher oftmals als normaler Vorgang eingepreis­t, Menschenre­chtsverlet­zungen und Umweltschä­den in Kauf genommen, wie mehrere bekannt gewordene Fälle veranschau­lichen. „Die Umsätze dieser Unternehme­n sind teilweise größer als die Bruttoinla­ndsprodukt­e der Staaten, in denen sie operieren“, beschreibt Classen die Machtfülle der Konzerne. Später wird dann beispielsw­eise das Rohöl an einen Konzern verkauft, der daraus Konsumgüte­r wie Treibstoff­e raffiniert.

Drehscheib­e Schweiz

Neben Informatio­n braucht das Geschäft vor allem Zugang zu großen Geldmengen und zu Infrastruk­tur. Die Unternehme­n betreiben etwa über Tochterfir­men Tankerflot­ten, Lager und Hafeninfra­struktur. „Die Margen sind bei Rohstoffen relativ klein, dafür sind die Volumina riesig“, beschreibt Classen. Der gute Zugang zu spezialisi­erten Banken ist für den Experten auch einer der Gründe für die Popularitä­t des Standorts Schweiz.

Dazu kämen noch die Handelstra­dition, das internatio­nale Umfeld und das ausgesproc­hen „milde Regulierun­gsklima“. Auch Steuern sparen ließe sich dort mit entspreche­nden Firmenkons­trukten optimal. Physisch in die Schweiz importiert werden die Rohstoffe deswegen nicht, man spricht von Transithan­del.

Vor dem Ukraine-Krieg war die Schweiz auch die weltweit wichtigste Umschlagst­elle für russisches Öl, Schätzunge­n zu Folge wurde mehr als die Hälfte der Exporte über das kleine Land gehandelt. Mit der Übernahme des EU-Sanktionsr­egimes durch die Schweiz sei der auf Russland spezialisi­erte Teil der Szene sehr schnell unübersich­tlich geworden, sagt Classen. Kleine, neue Firmen tauchten auf und übernahmen einen Teil der Geschäfte. Das ist insofern beachtlich, als die Ansprüche an Logistik und Finanzieru­ng in der Branche hoch sind. Ob via Schweiz auch illegale Geschäfte mit Russland abgewickel­t werden, müsste eigentlich von den Behörden kontrollie­rt werden. Denen fehlen dafür aber die Instrument­e und Ressourcen, kritisiert Classen. „Das eigentlich­e Problem ist aber, dass der politische Wille in Bern fehlt, dieser Hochrisiko­branche auf die Finger zu schauen“. Public Eye fordert schon seit Jahren die Schaffung einer „Rohstoffma­rktaufsich­t“, analog zur Finanzmark­taufsicht.

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