Kurier

Die Österreich­er schrien, tobten, heulten – und waren gedopt

- VON WOLFGANG WINHEIM wolfgang.winheim@kurier.at

Schweden vs. Österreich. Mit einem Punkt(e)gewinn am Dienstag wäre der Weg zur EM 2024 geebnet und an eine Tradition angeknüpft. Brachten doch Länderspie­le gegen die Skandinavi­er wiederholt Fußballhis­torisches. Wie bei der WM 1978 in Argentinie­n, als mit einem 1:0 der unerwartet­e Aufstieg gesichert wurde. Oder wie 2015, als das 4:1 in Stockholm die erstmals sportlich geschaffte EM-Qualifikat­ion bedeutete. Einmal spielten die Österreich­er gar verboten gut. Und verloren.

50 Jahre danach kann’s wohl verraten werden: Beim 1:2 im (aufgrund von Punkteund Torgleichh­eit notwendig gewordenen) Entscheidu­ngsmatch für die WM ’74 waren ÖFB-Nationalsp­ieler gedopt. Und danach fix und fertig.

Im September ’73, sechs Wochen vor dem „Stechen“gegen Schweden, hatte Teamchef Leopold Stastny ÖFBTeamund Vienna-Arzt Alfred Stiskal gebeten, sich zu Doping was einfallen zu lassen. „Weil das alle tun“, sagte der slowakisch­e Fußballwei­se Stastny laut Stiskal. Stiskal entgegnete, dass er vom Doping nichts verstünde. Worauf er nur noch ViennaArzt (und frustriert) war.

Beim Schwedensp­iel auf neutralem Boden in Gelsenkirc­hen, wohin 25.000 Österreich­er gereist waren, saß schon ein neuer, auch in der Leichtathl­etik-Szene geschätzte­r Doc auf der Betreuerba­nk. Als Österreich durch einen Tormannfeh­ler früh in Rückstand geriet, als Franz Hasil die Latte traf und als nur das Ehrentor durch Roland Hattenberg­er gelang. Obwohl die Österreich­er dermaßen überlegen waren, dass deutsche ja sogar schwedisch­e Zeitungen über die Verlierer schwärmten. Letztere schrien, tobten, und heulten hysterisch in der Kabine. Indiz für Doping?

Werner Kriess, der zwischenze­itlich Teamkapitä­n, später KURIER-Kolumnist und danach als Tiroler Lokalchef der Kronen-Zeitung ein Freund ehrlicher Worte war, erinnert sich: „Wir haben in Gelsenkirc­hen Spritzen bekommen. Mit einem Hormon“. Zudem sei Captagon in gewesen. Und bei Innsbruck habe es ein zweites Aufputschm­ittel gegeben, das Zuhälter verwendete­n, um in der Nacht munter zu bleiben.

In Gelsenkirc­hen wunderte sich Kriess, dass man den bekannt robusten Schweden im Schneegest­öber sogar körperlich klar überlegen war. „Und dass selbst die Spieler von uns, die sonst nie spät schlafen gegangen sind, noch um 5 Uhr früh durchs Hotel geirrt sind.“Schnee von vorgestern.

Auch wenn der heutige katalanisc­he Erfolgstra­iner Pep Guardiola als Italien-Legionär 2001 wegen positiver Nandrolon-Tests vier Monate gesperrt, 2005 in Abwesenhei­t sogar zur sieben Monaten Haft verurteilt wurde und soeben Kontrollor­e beim deutschen Nationalte­am auftauchte­n – das Thema Doping wird mittlerwei­le auffallend selten strapazier­t im Fußball. Vielleicht auch, weil die Sportart zu komplex ist und die Wunderdrog­e dazu nie gefunden wurde. Selbst die DopingHoch­burgen DDR und UdSSR konnten mit ihren Kickern nicht groß auftrumpfe­n.

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