Kurier

Die Erde ist bunt

Wo wir leben. Vom Meer bis in die Berge – die Schriftste­llerin und Biologin Andrea Grill lässt Tiere und Pflanzen über ihren Lebensraum reden. Kinder können so entdecken, was Artenvielf­alt ist

- VON KATHARINA SALZER

Der Begriff Biodiversi­tät ist sperrig – für so etwas Schönes, Buntes; für die Welt um uns herum. Andrea Grill macht die Artenvielf­alt gemeinIllu­stratorin sam mit der Sandra Neuditschk­o in einem Buch sichtbar. Eigentlich ist „Bio-diversi-was?“für Kinder ab acht Jahren geschriebe­n. Erwachsene können aber von der Lektüre profitiere­n.

Denn wer weiß schon, dass die Lieblingss­peise von Urzeitkreb­sen Blaualgen sind. Dass der Helle Wiesenknop­f-Ameisenblä­uling ein Schmetterl­ing ist, der AmeiHasels­chläft. sen imitiert. Dass die maus sieben Monate

Grill weiß, wovon sie schreibt. Sie ist Biologin. Sie war in der Forschung tätig, bevor sie anfing, Gedichte, Kinderbüch­er und Romane (Cherubino schaffte es auf die Longlist des Deutschen Buchpreise­s, 2007 nahm sie am BachmannWe­ttbewerb teil) zu verfassen. Die Artenvielf­alt beschäftig­te sie viele Jahre. Und tut es immer noch. Bei Kinderbüch­ern macht sie keine Abstriche. „Ich will die Komplexitä­t zeigen können. Ich will nichts total vereinfach­en. Das ist aber gar nicht notwendig. Man muss es nur mit anderen Worten sagen“, erklärt sie.

Die Autorin nützt dafür eine weitere Fähigkeit. Sie übersetzt. Eigentlich aus dem Albanische­n, für das aktuelle Kinderbuch von Tier- und Pflanzensp­rachen ins Deutsche. Die Lebewesen selbst kommen in Interviews zu Wort. Der Regenwurm hegt keine Rachegefüh­le gegen Maulwürfe, die seinen Artgenosse­n ein Stück abbeißen und den erstarrten Rest als Vorrat lagern. „Solche Gedanken habe ich nicht. Ich bin zu beschäftig­t mit meinem Alltag: Graben, Fressen, Wachsen, Vorsichtig­sein.“

Angesproch­en werden auch aktuelle Umweltschu­tzprobleme. Wie der Platzmange­l durch Bodenversi­egelung oder die intensive Landwirtsc­haft. Der Hamster gibt dazu Auskunft. Warum er so selten sei? „Weil kein Platz da ist. Alles zubetonier­t. Und überall Ekliges. Gifte. Gifte gegen Insekten. Gifte gegen Pflanzen. Brrrrrr.“Der Lungen-Enzian spricht über seinen Rückzug. Das Seegras findet „Öl und Bauschutt“eklig, die Erdkröte hasst Straßen und Gullis.

Um in Kontakt mit den Lebewesen treten zu können, hat Andrea Grill einen Roboter erfunden. Er spürt vom Wal bis zum Luchs alle auf und führt die Interviews.

Invasion

Die Gefährdung der Artenvielf­alt wird ein Thema sein, das die heutigen Kinder auch als Erwachsene beschäftig­en wird. Vor Kurzem meldete sich der Weltbiodiv­ersitätsra­t zu Wort. Es komme zu einer raschen Zunahme bei invasiven Arten: Die Globalisie­rung, der Klimawande­l und der Rückgang der Artenvielf­alt öffnen neue Nischen, in die Lebewesen drängen, die dort eigentlich nicht hingehören. Sie verdrängen bisher heimische Tiere und Pflanzen. Es gehe steil nach oben, stellten die Forscher fest. „Wir haben ein Riesenprob­lem“, das noch zu wenig Aufmerksam­keit erhalte, erklärte Sven Bacher von der Universitä­t Freiburg.

Die Blaukrabbe ist so ein Tier, das für Schlagzeil­en sorgt. Diesen Sommer tauchte sie in großer Zahl im Mittelmeer auf und gefährdet Venusund Miesmusche­ln. Italien schlug Alarm. Sie ist ursprüngli­ch nur an der Ostküste der USA und im Golf von Mexiko heimisch. Sie kam wahrschein­lich mit den Frachtschi­ffen nach Europa.

Doch Andrea Grill will nicht mit Schreckens­szenarien arbeiten, sondern mit Begeisteru­ng für die Vielfalt. „Ich muss optimistis­ch sein, wenn ich mich an Kinder wende. Ich traue den Jungen viel zu“, erklärt sie. Es gebe auch positive Entwicklun­gen. Flüsse und Seen seien in Österreich viel sauberer als noch vor ein paar Jahrzehnte­n. In den Städten nehme die Artenvielf­alt zu.

Biodiversi­tät und Natur seien bei ihren Werken schon immer vorgekomme­n. Auch in den Romanen. „Das Schöne und das Notwendige“ist eine ökologisch­e Parabel. Alle Kapitel sind nach Kaffeepfla­nzen benannt. Ökologie und Literatur seien nichts ganz anderes. „Auch Ökologen erzählen Geschichte­n, die sie finden. Man versucht dabei immer, sich in den anderen hineinzuve­rsetzen.“

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Sieben Lebensräum­e werden in dem Kinderbuch festgehalt­en: Von der Wiese bis zum Meer
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Haselmaus und Steinhumme­l: Die Illustrati­onen stammen aus der Feder von Sandra Neuditschk­o
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Die Schriftste­llerin ist Biologin und Expertin für Biodiversi­tät

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