Der Trick mit dem Blick
Wir verabreden uns in der Lieblingspizzeria. Nur der Mann und ich. Daria schläft lieber daheim auf der Couch, als ohne eigenen Teller unter einem Tisch mit Pizzaaroma zu liegen.
Es wird wunderbar. Die Kombination aus Ausnahmsweise-zu-zweit, Wiedersehensfreude nach drei Tagen berufsbedingten Getrenn-Seins und herrlicher Pizza, die sich der Mann mit extravielen Sardellen belegen lässt, verspricht einen fulminanten Abend. Der Mann sitzt da und schaut an der Speisekarte vorbei ins Leere. „Eh klar“, denke ich, „er kann sie auswendig und weiß, was er will“.
Doch was er tatsächlich will, sind nicht extraviele Sardellen. Er will einen Hund an seiner Seite. Seinen Beagle. Das weiß ich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht. Erst, als er langsam mit der Sprache herausrückt und murmelt: „Der kleine Hund hat so traurig geschaut ...“
Ich verstehe augenblicklich, dass meine süße Nebenbuhlerin Daria uns den romantischen Abend gestrichen hat, indem sie den Expertinnenschmollblick auf- und eingesetzt hat. Der wirkt immer. Selbst wenn der Lieblingsmann gerade zwei Stunden mit ihr Wandern war, kann sie ihm mit diesem Blick ein schlechtes Gewissen einimpfen, er kümmere sich viel zu wenig um sie.
Ich atme zweimal tief ein und aus, ehe ich mich zu einer Antwort aufschwinge: „Der kleine Hund ist 13, eine alte Dame und froh über etwas Ruhe.“
Er lässt meinen Einwand nicht gelten und sagt: „Aber sie hat mir sooo traurig hinterhergeschaut.“Ich weiß, dass ich mit Sätzen, wie „Das ist ihre Masche, sobald du weg bist, dreht sie sich um und legt sich genüsslich auf die Couch“, hier nicht weiterkomme. Also entscheide ich mich für: „Du, wir brauchen eine neue Eingangstür.“Erstaunt blickt er auf: „Wie kommst du darauf? Die ist neu!“
„Eben“, sage ich, „seit wir die Eingangstür mit der lang gezogenen Glasscheibe haben, wendet Daria den Trick mit dem Blick an, um dir jeden Ausgang ohne Hund zu verleiden. Die Sardellen schmecken ihm heute nicht so wie sonst.
Wir gehen heim, um Daria für die Abendrunde abzuholen. Sie schläft tief und muss erst überredet werden, mit uns rauszugehen. Doch das überzeugt den Mann nicht. Sein Gewissen beißt und sagt ihm, dass „der kleine Hund“– zumindest bis kurz bevor wir heimkamen – traurig an der Tür gestanden sein muss.