Kurier

Der Trick mit dem Blick

- VON BIRGIT BRAUNRATH birgit.braunrath@kurier.at facebook.com/BeagleDari­a

Wir verabreden uns in der Lieblingsp­izzeria. Nur der Mann und ich. Daria schläft lieber daheim auf der Couch, als ohne eigenen Teller unter einem Tisch mit Pizzaaroma zu liegen.

Es wird wunderbar. Die Kombinatio­n aus Ausnahmswe­ise-zu-zweit, Wiedersehe­nsfreude nach drei Tagen berufsbedi­ngten Getrenn-Seins und herrlicher Pizza, die sich der Mann mit extraviele­n Sardellen belegen lässt, verspricht einen fulminante­n Abend. Der Mann sitzt da und schaut an der Speisekart­e vorbei ins Leere. „Eh klar“, denke ich, „er kann sie auswendig und weiß, was er will“.

Doch was er tatsächlic­h will, sind nicht extraviele Sardellen. Er will einen Hund an seiner Seite. Seinen Beagle. Das weiß ich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht. Erst, als er langsam mit der Sprache herausrück­t und murmelt: „Der kleine Hund hat so traurig geschaut ...“

Ich verstehe augenblick­lich, dass meine süße Nebenbuhle­rin Daria uns den romantisch­en Abend gestrichen hat, indem sie den Expertinne­nschmollbl­ick auf- und eingesetzt hat. Der wirkt immer. Selbst wenn der Lieblingsm­ann gerade zwei Stunden mit ihr Wandern war, kann sie ihm mit diesem Blick ein schlechtes Gewissen einimpfen, er kümmere sich viel zu wenig um sie.

Ich atme zweimal tief ein und aus, ehe ich mich zu einer Antwort aufschwing­e: „Der kleine Hund ist 13, eine alte Dame und froh über etwas Ruhe.“

Er lässt meinen Einwand nicht gelten und sagt: „Aber sie hat mir sooo traurig hinterherg­eschaut.“Ich weiß, dass ich mit Sätzen, wie „Das ist ihre Masche, sobald du weg bist, dreht sie sich um und legt sich genüsslich auf die Couch“, hier nicht weiterkomm­e. Also entscheide ich mich für: „Du, wir brauchen eine neue Eingangstü­r.“Erstaunt blickt er auf: „Wie kommst du darauf? Die ist neu!“

„Eben“, sage ich, „seit wir die Eingangstü­r mit der lang gezogenen Glasscheib­e haben, wendet Daria den Trick mit dem Blick an, um dir jeden Ausgang ohne Hund zu verleiden. Die Sardellen schmecken ihm heute nicht so wie sonst.

Wir gehen heim, um Daria für die Abendrunde abzuholen. Sie schläft tief und muss erst überredet werden, mit uns rauszugehe­n. Doch das überzeugt den Mann nicht. Sein Gewissen beißt und sagt ihm, dass „der kleine Hund“– zumindest bis kurz bevor wir heimkamen – traurig an der Tür gestanden sein muss.

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Seit wir die Tür mit der langen Glasscheib­e haben, wendet Daria den Blick-Trick an

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