Kurier

Schweinsbr­aten in Selbstbedi­enung

- VON AUTOR UND THEATERKRI­TIKER WOLFGANG KRALICEK

der besten Gasthäuser, die ich kenne, ist ein Selbstbedi­enungsrest­aurant. Die Rede ist vom Gasthaus Seebauer in Oberösterr­eich. Als Gunda und Klaus Dutzler das Lokal am idyllische­n Gleinkerse­e vor mehr als zehn Jahren übernommen haben, trafen sie ein paar radikale Entscheidu­ngen. Speisen und Getränke sind, soweit wie irgend möglich, aus der Region und haben Bio-Qualität; das Fleisch kommt sogar von den eigenen Rindern und Schweinen, die gleich nebenan gehalten werden. Obwohl das Gasthaus ein klassische­s Ausflugslo­kal ist, fehlen einschlägi­ge Klassiker wie Schnitzel, Pommes oder Germknödel auf der Speisekart­e, und der Schweinsbr­aten kostet 18 Euro.

Weil das Konzept so stimmig und konsequent ist und weil die Qualität stimmt, brummt der Seebauer trotzdem; an schönen Tagen kommen mehr als tausend Gäste an den Gleinkerse­e. Womit wir bei der zweiten Besonderhe­it des Seebauern wären: Aus organisato­rischen Gründen haben die Dutzlers entschiede­n, auf Selbstbedi­enung zu setzen. Sie bräuchten sonst viel mehr Personal – und das nur an guten Tagen, das Geschäft ist in einem Lokal wie diesem ja extrem witterungs­abhängig. Die Theke im Seebauer sieht so ähnlich aus, wie man das von Autobahnra­ststätten, Skihütten oder Betriebska­ntinen kennt, es funktionie­rt aber ganz anders: Die Speisen, bei denen das nötig ist, werden frisch zubereitet, ohne dass man darauf warten muss. Und das geht so: Der Gast gibt an der einen Seite der SB-Zeile seine Bestellung auf, dann geht er weiter, lädt Getränke und Mehlspeise­n auf sein Tablett, und wenn er bei der Kassa angelangt ist, kommt meist auch schon das Essen aus der Küche. Eine logistisch­e Meisterlei­stung, die jedes Mal staunen macht.

Noch eine Extravagan­z leistet sich der Seebauer: Sperrstund­e ist um Punkt 18 Uhr. Gleinkerse­e-Profis sind deshalb kurz vor sechs gestellt und bestellen sich zum Essen gleich zwei Getränke, damit sie nachher noch länger auf der Terrasse sitzen und auf den See schauen können.

Anfänger erkennt man daran, dass sie kurz nach sechs noch seelenruhi­g die Tafel mit den Speisen studieren – um dann verdattert feststelle­n zu müssen, dass die Tür zum Gasthaus nicht mehr aufgeht. Bei jüngeren, hungrigen Gästen fließen da manchmal Tränen. Wenn sie wüssten, wie saugut der Schweinsbr­aten beim Seebauer tatsächlic­h schmeckt, würden auch die Eltern hemmungslo­s zu weinen beginnen.

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