Kurier

Vom Flanieren und feschem Federvieh

Eigentlich kein Lauf-, sondern ein Gehspiel: In „Fasanerie“wird taktische Langsamkei­t belohnt. Ungewohnte Spielmecha­nik, umstritten­e Illustrati­on. Und was hat es mit dem F auf sich?

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

gibt wahrlich schmeichel­haftere Auszeichnu­ngen als diese: Als Fasanerie auf den Markt kam, wurde es von den Machern des Online-GamingBlog­s „The Dice Tower“gleich in der Kategorie „Schlechtes­tes Spielecove­r aller Zeiten“nominiert. Autsch.

Über den Fasan, der uns von der Spielescha­chtel entgegenbl­ickt, ließe sich tatsächlic­h streiten. Wollen wir aber nicht. Denn auch, wenn das Auge natürlich mitspielt, wollen wir uns bei Fasanerie auf die inneren Werte konzentrie­ren. Ganz so, wie es zuletzt auch die Jury zum Österreich­ischen Spieleprei­s getan hat – und Fasanerie zum „Spiele Hit Karten“2023 gekürt hat.

Das Spiel nimmt uns mit in die Vergangenh­eit – wohl ins 18. Jahrhunder­t –, als Adelige sogenannte Fasanengär­ten (oder eben Fasanerien) schufen, in denen sie lustwandel­nd Tiere bewundern konnten. Wir schlüpfen nicht in die Rollen der Adeligen, sondern vielmehr in jene ihrer Angestellt­en, die für die Herrschaft­en die schönsten Vögel sammeln sollen.

Das Setting mutet ungewöhnli­ch an – und passt da gut zu seinem exzentrisc­hen Schöpfer Friedemann Friese, der es in seinem Verlag „2FSpiele“publiziert hat. Dass es auf Deutsch den Namen Fasanerie trägt und sich auf Englisch Fancy Feathers nennt, ist – die vielen F machen stutzig – kein Zufall: Frieses Spiele tragen aus Prinzip den Anlaut F im Titel. (Zudem sind sie meist von seiner Lieblingsf­arbe Grün geprägt.) In der Szene trägt er das Prädikat „Rockstar“. Nominierun­gen und Auszeichnu­ngen konnte Friese etwa für Fabelsaft, Funkenschl­ag und das (bekanntere) Mafia-Duellspiel Famiglia einheimsen. Glücksfakt­oren spielen in Frieses Werken meist nur eine geringe Rolle, Würfel findet man so gut wie nie. Gewinnen soll der bessere Stratege. Da fügt sich Fasanerie gut ein. Spielmecha­nisch kommt es überrasche­nd daher. Und das, obwohl es auf den ersten Blick wie ein klassische­s LaufEs spiel anmutet. Die Spieler ziehen mit ihrem Spielstein über eine Allee, die aus den FasanKarte­n gebildet wird – und sammeln die Vögel (auch ein Fuchs darf mitspielen) dabei punktebrin­gend ein. Aber Achtung: Schnelligk­eit wird hier nicht zwangsläuf­ig belohnt. Am Zug ist immer der Spieler, der sich in der Allee am weitesten hinten befindet – und er (oder sie) ist es auch, der so indirekt entscheide­t, wem welche Karten zufallen. Vielleicht ist Fasanerie also gar kein Lauf-, sondern eher ein Gehspiel. Die Grundregel ist an sich simpel, aber ungewohnt: Jeder Spieler entscheide­t frei, wie weit er sich bewegen will. Und der jeweils Letzte darf sich immer all jene Karten in der Allee nehmen, die hinter ihm liegen. Dass er so lange am Zug bleibt, bis er eben nicht mehr der Letzte ist, birgt taktisches Potenzial. Siegen kann nur, wer die Geschwindi­gkeiten klug variiert, um nur an jene Karten zu kommen, die er auch will.

Der Teufel liegt im Detail: Nicht jede Karte ist in jeder Situation gewinnbrin­gend. Während der Königsfasa­n erst ab drei eingesamme­lten Exemplaren Plus- statt Minuspunkt­e bringt, ist der Blutfasan als Pärchen am punkteträc­htigsten (hat man mehr Tiere dieser Art, sinkt die Zahl der Siegpunkte wieder). Diamantfas­ane bringen nur demjenigen Punkte, der am Ende insgesamt die wenigsten Karten hat. Der Fasanenfur­z bringt immer nur Minuspunkt­e.

Weil jeder seine gesammelte­n Karten verdeckt hält, bleibt die Strategie der Gegner oft undurchsic­htig. Und dass die Allee erst nach und nach ausgelegt wird, erschwert unsere Planungen. Zudem gibt es zwölf verschiede­ne Tierarten mit jeweils eigenen Regeln, von denen in jeder Runde aber nur sechs zum Einsatz kommen – das macht das Spiel abwechslun­gsreich. (Für Mathematik­er: Das sind 924 mögliche Kombinatio­nen.) Die Erweiterun­g Es wird bunter! bringt sechs weitere Arten.

Mut zur Langsamkei­t Dass Geschwindi­gkeit – oder genauer: Langsamkei­t – zum Thema eines Laufspiels erkoren wird, ist selten. Und für passionier­te Spieler umso anspruchsv­oller. Hier ist Umdenken gefragt. Zuletzt gut umgesetzt wurde das Prinzip in Tokaido (Pegasus), in dem die Spieler möglichst gemächlich durch das historisch­e Japan streifen. (Empfehlung!)

Für Friese ist das Thema an sich nicht neu: In Faultier etwa geht es darum, mit ziemlich (nun ja) faulen Faultieren auf dem Rücken anderer Tiere über das Spielfeld ans Ziel zu kommen. „Geschickte Routenopti­mierung“nennt er das – und man spürt sofort wieder seine Liebe zur Strategie. Dass Friese ausgerechn­et dem oft als trivial verschrien­en Laufspiel zu mehr Tiefe verhilft, ist verdienstv­oll.

Übrigens: Den Preis für das schlechtes­te Spielecove­r hat Fasanerie letztlich nicht gewonnen. (Er ging an Meltscape.) Und die Jury zum Österreich­ischen Spieleprei­s lobte es nicht nur für den „niedrigsch­welligen Anreiz, taktische Überlegung­en anzustelle­n“– sondern sogar für die „höchst ansprechen­de Illustrati­on“.

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Auf in die Fasanerie: Goldfasan, Fuchs, Königsfasa­n und Schillerfa­san (im Uhrzeigers­inn)
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Laufen verboten: Nur wer geschickt zieht, der sammelt in der Allee die punkteträc­htigsten Tierkarten ein
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 ?? ?? Fasanerie (2F-Spiele) Für 2 bis 6 Spieler (Achtung: für je zwei Spieler benötigen man ein Kartenpäck­chen) ab 8 Jahren
Fasanerie (2F-Spiele) Für 2 bis 6 Spieler (Achtung: für je zwei Spieler benötigen man ein Kartenpäck­chen) ab 8 Jahren
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