Vom Flanieren und feschem Federvieh
Eigentlich kein Lauf-, sondern ein Gehspiel: In „Fasanerie“wird taktische Langsamkeit belohnt. Ungewohnte Spielmechanik, umstrittene Illustration. Und was hat es mit dem F auf sich?
gibt wahrlich schmeichelhaftere Auszeichnungen als diese: Als Fasanerie auf den Markt kam, wurde es von den Machern des Online-GamingBlogs „The Dice Tower“gleich in der Kategorie „Schlechtestes Spielecover aller Zeiten“nominiert. Autsch.
Über den Fasan, der uns von der Spieleschachtel entgegenblickt, ließe sich tatsächlich streiten. Wollen wir aber nicht. Denn auch, wenn das Auge natürlich mitspielt, wollen wir uns bei Fasanerie auf die inneren Werte konzentrieren. Ganz so, wie es zuletzt auch die Jury zum Österreichischen Spielepreis getan hat – und Fasanerie zum „Spiele Hit Karten“2023 gekürt hat.
Das Spiel nimmt uns mit in die Vergangenheit – wohl ins 18. Jahrhundert –, als Adelige sogenannte Fasanengärten (oder eben Fasanerien) schufen, in denen sie lustwandelnd Tiere bewundern konnten. Wir schlüpfen nicht in die Rollen der Adeligen, sondern vielmehr in jene ihrer Angestellten, die für die Herrschaften die schönsten Vögel sammeln sollen.
Das Setting mutet ungewöhnlich an – und passt da gut zu seinem exzentrischen Schöpfer Friedemann Friese, der es in seinem Verlag „2FSpiele“publiziert hat. Dass es auf Deutsch den Namen Fasanerie trägt und sich auf Englisch Fancy Feathers nennt, ist – die vielen F machen stutzig – kein Zufall: Frieses Spiele tragen aus Prinzip den Anlaut F im Titel. (Zudem sind sie meist von seiner Lieblingsfarbe Grün geprägt.) In der Szene trägt er das Prädikat „Rockstar“. Nominierungen und Auszeichnungen konnte Friese etwa für Fabelsaft, Funkenschlag und das (bekanntere) Mafia-Duellspiel Famiglia einheimsen. Glücksfaktoren spielen in Frieses Werken meist nur eine geringe Rolle, Würfel findet man so gut wie nie. Gewinnen soll der bessere Stratege. Da fügt sich Fasanerie gut ein. Spielmechanisch kommt es überraschend daher. Und das, obwohl es auf den ersten Blick wie ein klassisches LaufEs spiel anmutet. Die Spieler ziehen mit ihrem Spielstein über eine Allee, die aus den FasanKarten gebildet wird – und sammeln die Vögel (auch ein Fuchs darf mitspielen) dabei punktebringend ein. Aber Achtung: Schnelligkeit wird hier nicht zwangsläufig belohnt. Am Zug ist immer der Spieler, der sich in der Allee am weitesten hinten befindet – und er (oder sie) ist es auch, der so indirekt entscheidet, wem welche Karten zufallen. Vielleicht ist Fasanerie also gar kein Lauf-, sondern eher ein Gehspiel. Die Grundregel ist an sich simpel, aber ungewohnt: Jeder Spieler entscheidet frei, wie weit er sich bewegen will. Und der jeweils Letzte darf sich immer all jene Karten in der Allee nehmen, die hinter ihm liegen. Dass er so lange am Zug bleibt, bis er eben nicht mehr der Letzte ist, birgt taktisches Potenzial. Siegen kann nur, wer die Geschwindigkeiten klug variiert, um nur an jene Karten zu kommen, die er auch will.
Der Teufel liegt im Detail: Nicht jede Karte ist in jeder Situation gewinnbringend. Während der Königsfasan erst ab drei eingesammelten Exemplaren Plus- statt Minuspunkte bringt, ist der Blutfasan als Pärchen am punkteträchtigsten (hat man mehr Tiere dieser Art, sinkt die Zahl der Siegpunkte wieder). Diamantfasane bringen nur demjenigen Punkte, der am Ende insgesamt die wenigsten Karten hat. Der Fasanenfurz bringt immer nur Minuspunkte.
Weil jeder seine gesammelten Karten verdeckt hält, bleibt die Strategie der Gegner oft undurchsichtig. Und dass die Allee erst nach und nach ausgelegt wird, erschwert unsere Planungen. Zudem gibt es zwölf verschiedene Tierarten mit jeweils eigenen Regeln, von denen in jeder Runde aber nur sechs zum Einsatz kommen – das macht das Spiel abwechslungsreich. (Für Mathematiker: Das sind 924 mögliche Kombinationen.) Die Erweiterung Es wird bunter! bringt sechs weitere Arten.
Mut zur Langsamkeit Dass Geschwindigkeit – oder genauer: Langsamkeit – zum Thema eines Laufspiels erkoren wird, ist selten. Und für passionierte Spieler umso anspruchsvoller. Hier ist Umdenken gefragt. Zuletzt gut umgesetzt wurde das Prinzip in Tokaido (Pegasus), in dem die Spieler möglichst gemächlich durch das historische Japan streifen. (Empfehlung!)
Für Friese ist das Thema an sich nicht neu: In Faultier etwa geht es darum, mit ziemlich (nun ja) faulen Faultieren auf dem Rücken anderer Tiere über das Spielfeld ans Ziel zu kommen. „Geschickte Routenoptimierung“nennt er das – und man spürt sofort wieder seine Liebe zur Strategie. Dass Friese ausgerechnet dem oft als trivial verschrienen Laufspiel zu mehr Tiefe verhilft, ist verdienstvoll.
Übrigens: Den Preis für das schlechteste Spielecover hat Fasanerie letztlich nicht gewonnen. (Er ging an Meltscape.) Und die Jury zum Österreichischen Spielepreis lobte es nicht nur für den „niedrigschwelligen Anreiz, taktische Überlegungen anzustellen“– sondern sogar für die „höchst ansprechende Illustration“.