Kurier

„Weg von den Zahlen, hin zur Intensität“

Bernhard Eckerstofe­r. Der Geist werde oft erst in der Krise spürbar. Der Rektor der Benediktin­eruniversi­tät rät der Kirche und den Orden zur Gelassenhe­it

- VON JOSEF ERTL

„Die Zeiten verändern sich, wir sind in einer großen Transforma­tion. Das ist einfach der Gang der Geschichte, mit dem man sich aussöhnen muss.“Pater Bernhard Andreas Eckerstorf­er, Benediktin­ermönch des Stiftes Kremsmünst­er und Rektor der Benediktin­eruniversi­tät Sant’ Anselmo

in Rom, rät angesichts der zahlreiche­n Kirchenaus­tritte und der Krise der Orden zu Gelassenhe­it. Es brauche Trauerarbe­it, „es ist nämlich tragisch, was da zusammen- und wegbricht. Es sind spirituell­e Verluste, wenn die Jesuiten aus Linz weg sind, wenn es kein Trappisten­kloster mehr in Österreich gibt.“Man dürfe jedoch nicht nur die letzten Jahre sehen. „Wir vergleiche­n immer nur mit dem, was man kennt, man muss die großen Entwicklun­gen sehen.“Kremsmünst­er habe in der Zeit des Barock, als die heutige Anlage errichtet worden sei, 400 Mönche gehabt, in der Reformatio­nszeit seien es lediglich vier gewesen. „Als ich im Jahr 2000 eingetrete­n bin, waren wir 64, jetzt sind wir 45.“

„Wir sind nun in eine pluralisti­sche Zeit eingetrete­n, in der die Kirche keine Deutungsho­heit mehr hat, in der es viele andere Angebote gibt. Die Zeiten ändern sich. Aber jede Zeit ist Gott unmittelba­r.“Gott gehe mit seinem Volk.

Gegen Idealisier­ung

Der 52-jährige gebürtige Linzer warnt davor, die früheren Zeiten zu idealisier­en. „Wann ist die Kirche, wann ist eine Diözese erfolgreic­h? Wenn sie wieder das Niveau von früher hat? Das ist ein Fehlschlus­s, das ist ökonomisch­es Denken, das ist Erfolg mit Steigerung. Ich glaube, es kommt auf die Intensität an, es kommt darauf an, wie wir heute der Gesellscha­ft und der Welt dienen können. das hängt nicht von Zahlen ab. Wir müssen uns davon verabschie­den, dass wir den Erfolg der Kirche an Zahlen festmachen.“Da brauche es Gelassenhe­it und vor allem eine neue Besinnung auf Gott, der mit den Menschen und der Kirche unterwegs sei. Es werde weiter Klöster als spirituell­e Kernzentre­n geben. „Aber es wird sie nicht mehr in dieser Dichte geben.“Vieles werde wegbrechen. Gleichzeit­ig müsse man vom Jammern wegkommen. Der heilige Benedikt, der Ordensgrün­der, sage in seiner Regel ganz klar, er verbanne das Murren aus dem Kloster. „Weil das nur hinunterzi­eht.“

Probleme

Das Keimen des Heiligen Geistes wirke oft dort, wo man es nicht erkenne. „Oft in schwierige­n Erfahrunge­n, in Abbrüchen, in Problemen. Wenn es bergab geht, ist auf einmal eine Erfahrung des Geistes erlebbar. Deshalb halte ich es für ein Abtöten des Heiligen Geistes, wenn man nur auf das schaut, wie es früher war. Und dann womöglich noch Schuldige sucht.“

Aufbrüche erlebt Eckerstorf­er an der Benediktin­eruniversi­tät, die auf dem Hügel Aventin in Rom liegt. 670 Studen

tinnen und Studenten aus 70 Ländern studieren dort, zehn Prozent davon sind Benediktin­erinnen und Benediktin­er. Mit Theologie, Philosophi­e und Liturgiewi­ssenschaft­en gibt es drei Fakultäten. Das Grundstudi­um dauert fünf Jahre, das Lizenziat zwei Jahre und weitere zwei Jahre das Doktorat. Viele absolviert­en das Grundstudi­um in ihren Heimatländ­ern und kämen zum Spezialstu­dium nach Rom. In ihren Heimatländ­ern fänden die Studenten teilweise schwierige Bedingunge­n, das Christentu­m zu leben.

Neues Buch

P. Bernhard nimmt sich auch Zeit zum Schreiben. Weil sein Erstling „Kleine Schule des Loslassens – Mit den Weisheiten der Wüstenväte­r

durch den Tag“ein Erfolg war, ermutigte ihn der Tyrolia -Verlag zur Fortsetzun­g. „Momentaufn­ahmen – Gedanken und Begegnunge­n eines Benediktin­ers“titelt sich das neue Buch, das am Freitag, den 6. Oktober um 20 Uhr im Wintersaal des Stiftes

Kremsmünst­er präsentier­t wird. „Ich sehe es als meine Aufgabe, nicht nur komplizier­te Artikel zu schreiben, die dann auch noch wenig gelesen werden, sondern, das, was mir wichtig ist und etwas bedeutet, weiterzuge­ben. Das Fragmentar­ische ist postmodern, die Theologie muss das wieder finden. Theologisc­he Systeme von wie die von Karl Rahner oder von Romano Guardini sind gut, aber es braucht so etwas wie das ad hoc. Die Kirche braucht auch das Unmittelba­re, das Fragmentar­ische, wo das Gesamte in einer bestimmten Perspektiv­e aufleuchte­t.“Das Leben sei eben ein Mosaik.

Papst Franziskus betone immer, die Wirklichke­it sei wichtiger als die Idee. „Ich glaube, da ist etwas Wahres dran.“

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Als Rektor unter seinen Studenten an der Benediktin­eruniversi­tät in Rom
 ?? ?? Der Rektor in Zivil beim Linzer Lentos-Museum
Der Rektor in Zivil beim Linzer Lentos-Museum
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Neu: Gedanken, Einblicke und Begegnunge­n
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Vielfach nachgefrag­t: Weisheiten der Wüstenväte­r

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