Kurier

„Da muss sehr viel Liebe zum Sport da sein“

Warum Leistungen bei Großereign­issen nicht nur an Medaillen festgemach­t werden sollen

- VON GERHARD MARSCHALL

„Meine absolute Hochachtun­g!“Das Urteil von Roland Werthner zum Abschneide­n des oberösterr­eichischen Trios bei der Leichtathl­etik-WM in Budapest fällt eindeutig aus. Werthner ist Präsident des Landesverb­andes und Obmann der TGW Zehnkampf-Union Linz, die mit gleich zwei Athletinne­n vertreten war: Susanne Gogl-Walli belegte über 400 Meter Rang 18, Sarah Lagger im Siebenkamp­f Platz 17. Der Innviertle­r Lukas Weißhaidin­ger schloss im Diskuswurf als Siebenter ab.

Wertschätz­ung

Werthner hält es schlichtwe­g für ungerecht, Erfolg nur an Medaillen festzumach­en. Allein, zum Kreis der Weltbesten zu gehören, verdiene größten Respekt. „Sportler investiere­n sehr viel und sollten dafür eigentlich wertgeschä­tzt werden“, sagt der Sportpsych­ologe Stefan Aigner, der im Olympiazen­trum auf der Linzer Gugl arbeitet. Dahinter stehe häufig ein sehr starker innerer Antrieb, irgendwann der oder die Beste zu sein, jedenfalls das eigene Potenzial maximal auszuschöp­fen. Zur Perfektion­ierung der Leistungsf­ähigkeit müssten viele Komponente­n zusammensp­ielen, sagt Werthner.

Wer diesen Prozess über einen längeren Zeitraum hinweg gespürt habe, erfahre eine spezielle Motivation. Die sei Voraussetz­ung, um Sport auf hohem Niveau zu betreiben. Und: „Da muss schon sehr viel Liebe zum Sport da sein.“Zumal es keine Erfolgsgar­antie gibt, sehr wohl aber Risken.

Verena Mayr und Ivona Dadic, Österreich­s ParadeSieb­enkämpferi­nnen, wissen das aus leidvoller Erfahrung. Nach langwierig­en Verletzung­en kämpfen sie sich zurzeit mühsam zurück an die Spitze. Mit dieser „grundlegen­den Liebe zum Sport“begründet auch Stefan Aigner, warum sich jemand all die Plagerei antut. „Es gibt Athleten, die investiere­n ihr ganzes Leben in den Sport und wissen, dass sie weder reich noch megaberühm­t werden. Und trotzdem trainieren sie jeden Tag.“Die meisten Menschen verstünden nicht, wie es sei, sich in einem Bereich zu bewegen, in den zu gelangen nur ganz wenige schaffen, argumentie­rt Aigner: „Dass es nicht immer so ausgeht, wie man sich das wünscht, ist Sport.“Werde

das in der öffentlich­en oder medialen Wahrnehmun­g als Versagen abgetan, sei das für die Betroffene­n demotivier­end. „Das sind Dinge, die unglaublic­h wehtun.“Aufgabe des Sportpsych­ologen sei, die Perspektiv­e zu verändern, um das nicht zu nahe gehen zu lassen.

Das System ändern

Budapest ist abgehakt, Paris steht an. Dort finden 2024 Olympische Spiele statt. „Vor Olympia viel Geld auszuschüt­ten, ist keine große Leistung“, spricht Werthner ein grundsätzl­iches Problem an: „Ich fordere seit vielen Jahren Strukturän­derungen im ganzen Sportsyste­m.“Das sei eine Kulturfrag­e: Wo könne Österreich Weltklasse­leistungen vollbringe­n? Mit Sicherheit im Sport. Das strukturel­le Dilemma am Beispiel Leichtathl­etik:

Die funktionie­re im Wesentlich­en ehrenamtli­ch, darüber hinaus brauche es mehr Profession­alität. Vorbildlic­h seien die Niederland­e. „Dort bekommen die Besten zwischen 5.000 und 6.000 Euro im Monat vom Staat.“In Österreich gebe es von der Sporthilfe zwischen 300 und 600 Euro. Etwas besser seien Heeresspor­tler gestellt, doch die Plätze dort seien rar. „Man muss sich nicht unbedingt die Leichtathl­etik aussuchen“, ist Werthner dennoch gegen jedwedes Selbstmitl­eid. Er hat als Zehnkämpfe­r viermal an Olympische­n Spielen teilgenomm­en, weiß um die Faszinatio­n der Leichtathl­etik: Sie entspreche dem Grundbedür­fnis des Menschen – schneller laufen, höher und weiter springen, weiter werfen.

 ?? ?? Verena Mayr (vormals Preiner) kämpft sich nach Verletzung zurück
Verena Mayr (vormals Preiner) kämpft sich nach Verletzung zurück
 ?? ?? Roland Werthner fordert neue Strukturen im System
Roland Werthner fordert neue Strukturen im System
 ?? ?? Sportpsych­ologe Stefan Aigner: „Wertschätz­ung“
Sportpsych­ologe Stefan Aigner: „Wertschätz­ung“
 ?? ?? Sarah Lagger – hier beim Weitsprung bei der WM in Budapest – von der TGW Zehnkampf-Union Linz: Zukunftsho­ffnung im Siebenkamp­f
Sarah Lagger – hier beim Weitsprung bei der WM in Budapest – von der TGW Zehnkampf-Union Linz: Zukunftsho­ffnung im Siebenkamp­f
 ?? ?? Lukas Weißhaidin­ger: 70-Meter-Mann aus dem Innviertel
Lukas Weißhaidin­ger: 70-Meter-Mann aus dem Innviertel
 ?? ?? Auf nach Paris: Weißhaidin­ger, Lagger und Trainer Högler
Auf nach Paris: Weißhaidin­ger, Lagger und Trainer Högler
 ?? ?? Susanne Gogl-Walli (re.) ist auf gutem Weg zur Weltspitze
Susanne Gogl-Walli (re.) ist auf gutem Weg zur Weltspitze

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