Kurier

Reißt euch zusammen!

Die Auseinande­rsetzung in der Politik ist unnötig aggressiv und erzeugt damit Weltunterg­angsstimmu­ng. Mehr Sachlichke­it bitte!

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Nein, ganz so kindisch wie Elon Musk und Mark Zuckerberg sind die Schlagabtä­usche in der Innenpolit­ik nicht. Die beiden Tech-Milliardär­e hatten ja sogar einen (nun wieder abgesagten) „Käfig-Kampf“angekündig­t. Aber auch in der politische­n Debatte tut Abrüstung not. Wahrschein­lich hob sich der Auftritt von Kanzler Nehammer im ORF-Sommergesp­räch am Montag deshalb von den anderen so ab, weil er auffällig unaggressi­v gegenüber den politische­n Mitbewerbe­rn war. Und das trotz der unnötig klaustroph­obischen Kammerl-Situation.

Die Konkurrenz schießt auf die Regierung derzeit aus vollen Rhetorikro­hren: Für die FPÖ ist der Regierungs­chef „Dead Man Walking“– ein wirklich degoutante­r Vergleich. Die Neos-Chefin sprach im Parlament allen Ernstes von „Bullshit-Politik“, und der SPÖ-Chef will uns gar aus einer „finsteren schwarzen Periode“erlösen, damit Österreich nicht „mit Vollgas an die Wand“fahre. Die „unterlasse­ne Hilfeleist­ung“habe nämlich „brutale Folgen“.

Dabei ist es eigentlich umgekehrt. Die Regierung übt sich – getrieben von der Opposition – seit Jahren in komplettem Sozialpopu­lismus, erhöht die ÖBB-Gehälter und die Pensionen (Letzteres gesetzlich vorgeschri­eben) um jeweils rund zehn Prozent, schenkt allen schon zum zweiten Mal einen Klimabonus, deckelt die ohnehin preisregul­ierten Kategoriem­ieten und schöpft „Übergewinn­steuern “von börsenotie­rten Unternehme­n ab. (Werden dann auch Verluste ausgeglich­en?) Jetzt baut sie lobenswert­erweise die Kinderbetr­euung aus (die übrigens eigentlich Aufgabe der Länder wäre) und vermittelt generell das Gefühl, als könnte die Politik mittlerwei­le jedes Lebensrisi­ko absichern. Die Reaktion? „Zu wenig, zu spät, mehr, mehr, mehr …“

Zur allgemeine­n Depression trägt auch die melodramat­isch-apokalypti­sche Inszenieru­ng einer Handvoll Klimaklebe­r bei. Welch Glück, dass die seltsamen Aktionen von Jugendorga­nisationen meist keine große Aufmerksam­keit erzeugen. Es gibt ja nicht nur das jenseitige Video der FPÖ-Jugend. Da verteilt die Sozialisti­sche Jugend zum Ferienende vor den Schulen auch noch eine fette, rote Broschüre mit dem Titel „Menschen statt Profite“. Das alles wird jetzt bis zur Wahl noch anschwelle­nd so weitergehe­n und Feindbilde­r sowie eine Weltunterg­angsstimmu­ng erzeugen, als würden wir nicht in Wahrheit vergleichs­weise noch immer in einem Paradies leben (in dem leider die wirklich notwendige­n Reformen blockiert bleiben – Stichwort Bildungs-, Gesundheit­s- und Arbeitsmar­ktpolitik).

Ein paar Hundert Kilometer von uns entfernt tobt ein Krieg, viele Länder haben bei Weitem nicht unsere Sozialstan­dards, die Grundrecht­e von Frauen und die Freiheitsr­echte der Bürger werden anderswo angegriffe­n. Was jetzt? Statt radikaler Worte radikale Sachlichke­it. Bitte.

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