Reißt euch zusammen!
Die Auseinandersetzung in der Politik ist unnötig aggressiv und erzeugt damit Weltuntergangsstimmung. Mehr Sachlichkeit bitte!
Nein, ganz so kindisch wie Elon Musk und Mark Zuckerberg sind die Schlagabtäusche in der Innenpolitik nicht. Die beiden Tech-Milliardäre hatten ja sogar einen (nun wieder abgesagten) „Käfig-Kampf“angekündigt. Aber auch in der politischen Debatte tut Abrüstung not. Wahrscheinlich hob sich der Auftritt von Kanzler Nehammer im ORF-Sommergespräch am Montag deshalb von den anderen so ab, weil er auffällig unaggressiv gegenüber den politischen Mitbewerbern war. Und das trotz der unnötig klaustrophobischen Kammerl-Situation.
Die Konkurrenz schießt auf die Regierung derzeit aus vollen Rhetorikrohren: Für die FPÖ ist der Regierungschef „Dead Man Walking“– ein wirklich degoutanter Vergleich. Die Neos-Chefin sprach im Parlament allen Ernstes von „Bullshit-Politik“, und der SPÖ-Chef will uns gar aus einer „finsteren schwarzen Periode“erlösen, damit Österreich nicht „mit Vollgas an die Wand“fahre. Die „unterlassene Hilfeleistung“habe nämlich „brutale Folgen“.
Dabei ist es eigentlich umgekehrt. Die Regierung übt sich – getrieben von der Opposition – seit Jahren in komplettem Sozialpopulismus, erhöht die ÖBB-Gehälter und die Pensionen (Letzteres gesetzlich vorgeschrieben) um jeweils rund zehn Prozent, schenkt allen schon zum zweiten Mal einen Klimabonus, deckelt die ohnehin preisregulierten Kategoriemieten und schöpft „Übergewinnsteuern “von börsenotierten Unternehmen ab. (Werden dann auch Verluste ausgeglichen?) Jetzt baut sie lobenswerterweise die Kinderbetreuung aus (die übrigens eigentlich Aufgabe der Länder wäre) und vermittelt generell das Gefühl, als könnte die Politik mittlerweile jedes Lebensrisiko absichern. Die Reaktion? „Zu wenig, zu spät, mehr, mehr, mehr …“
Zur allgemeinen Depression trägt auch die melodramatisch-apokalyptische Inszenierung einer Handvoll Klimakleber bei. Welch Glück, dass die seltsamen Aktionen von Jugendorganisationen meist keine große Aufmerksamkeit erzeugen. Es gibt ja nicht nur das jenseitige Video der FPÖ-Jugend. Da verteilt die Sozialistische Jugend zum Ferienende vor den Schulen auch noch eine fette, rote Broschüre mit dem Titel „Menschen statt Profite“. Das alles wird jetzt bis zur Wahl noch anschwellend so weitergehen und Feindbilder sowie eine Weltuntergangsstimmung erzeugen, als würden wir nicht in Wahrheit vergleichsweise noch immer in einem Paradies leben (in dem leider die wirklich notwendigen Reformen blockiert bleiben – Stichwort Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik).
Ein paar Hundert Kilometer von uns entfernt tobt ein Krieg, viele Länder haben bei Weitem nicht unsere Sozialstandards, die Grundrechte von Frauen und die Freiheitsrechte der Bürger werden anderswo angegriffen. Was jetzt? Statt radikaler Worte radikale Sachlichkeit. Bitte.