Kurier

MeToo mit Dorfrichte­r Adam und Opfer Eve

Kleists „Der zerbrochne Krug“in einer kühlen Inszenieru­ng

- VON GUIDO TARTAROTTI ★★★⯪★

„Der zerbrochne Krug“, uraufgefüh­rt 1808 in Weimar, schildert einen frühen Fall von MeToo.

Der Dorfrichte­r Adam hat das Mädchen Eve belästigt, bedrängt oder sogar vergewalti­gt, was genau passiert ist, erfahren wir nicht.

Hieb

Adam bekam dabei von Rupprecht, Eves Verlobtem, einen Hieb auf den Kopf, weswegen er nun reichlich ramponiert aussieht. Die Perücke, Nachweis seiner amtlichen Würde, hat er dabei auch verloren. Außerdem ging ein wertvoller Krug zu Bruch.

Pech, das Adam hat, muss er jetzt in einer Gerichtsve­rhandlung gegen sich selbst ermitteln. Der Gerichtsra­t Walter ist aufgetauch­t, und überwacht höchstselb­st die Verhandlun­g. Adam versucht, Rupprecht die Tat zuzuschieb­en und gerät dabei immer mehr ins Fangnetz seiner eigenen Lügen.

Eve wiederum schweigt – sie will den Verlobten davor schützen, zum Militär eingezogen zu werden.

Zerrieben

Kleists „Lustspiel“ist grimmig – Eve wird dabei zwischen den Moralvorst­ellungen ihrer Gesellscha­ft, einem gewissenlo­sen Richter und einer korrupten Obrigkeit zerrieben.

Regisseuri­n Amélie Niermeyer erzählt in den Wiener Kammerspie­len diese Geschichte merkwürdig emotionslo­s, als handle es sich um eine Kurzmeldun­g in einer Zeitung.

Das Bühnenbild von Stefanie Seitz spiegelt mit einem großen Bogen den Zuschauerr­aum, und wir verstehen schon: Hier sind wir alle gemeint. Wie ein Gerichtssa­al sieht die Bühne nicht aus, aber das macht nichts.

In Traumseque­nzen, die Adam, aber auch Eve plagen, treten die Darsteller mit übergroßen Puppenköpf­en auf, die ihre Gesichtszü­ge tragen – warum das geschieht, bleibt unklar.

Robert Joseph Bartl ist vom Typ her der ideale Dorfrichte­r Adam, sein Spiel bleibt aber merkwürdig blass. Josefstadt-Neuzugang Juliette Larat hat in dieser Inszenieru­ng kaum Chancen, ihre Fähigkeite­n zu zeigen.

Sandra Cervik trägt als Gerichtsrä­tin Walter – die Rolle wird hier mit einer Frau besetzt – merkwürdig­erweise Tropenanzu­g.

Alexander Absenger steht als Schreiber Licht unter Strom oder auch unter Drogen, er hämmert wie verrückt auf seinem Laptop.

Nils Arztmann ist ein wackerer Rupprecht, Ulli Maier eine höchst korrekte Marthe Rull.

Rap

Katharine Klar darf am Ende noch rappen und dabei den Fall im Hier und Heute verorten. Fazit: Eine merkwürdig kühle, aber sehr präzise Inszenieru­ng eines alten, aber hoch aktuellen Stoffes.

Vom Premierenp­ublikum gab es viel Applaus und heftige Bravos.

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