Kurier

Goldene Imagepolit­ur

Es ist hoch an der Zeit, dass wir das Narrativ des schlechten Images der Lehre endlich hinter uns lassen

- VON SANDRA BAIERL sandra.baierl@kurier.at

Es sind fulminante Leistungen, die das österreich­ische Team bei den EuroSkills in Danzig vollbracht hat: kein anderes Land hat bei der Europameis­terschaft der Fachkräfte so viele Medaillen errungen. In 38 Berufen holten die Österreich­erinnen und Österreich­er 7 Gold-, 6 Silber-, 5 Bronzemeda­illen sowie 9 Exzellenz-Auszeichnu­ngen.

Wir sind die Besten in Europa – wieder einmal, denn bei allen Europa- und Weltmeiste­rschaften der vergangene­n Jahre sind unsere Fachkräfte ganz vorne dabei. Die Basis dieses Erfolgs legt das österreich­ische Modell der dualen Ausbildung, die Lehre. Unternehme­n und Berufsschu­le bilden im Gespann aus, praktisch und theoretisc­h. Heraus kommen umfassend gebildete, hoch qualifizie­rte Facharbeit­er.

Und trotzdem: Man wird in diesem Land nicht müde, seit Jahrzehnte­n das schlechte Image der Lehre immer und immer wieder zu betonen. Selbst Jugendstaa­tssekretär­in Claudia Plakolm erklärt zwar, „wir sind eine Weltmacht bei den Fachkräfte­n“, sagt aber bei der Pressekonf­erenz in Danzig gleichzeit­ig: „Die Lehre hat ein nicht allzu positives Image. Es muss den Lehrern und vor allem auch den Eltern klar gemacht werden, dass eine Lehre kein Plan B ist.“

Nun: Sie ist ein Plan A – war sie immer schon für rund 40 Prozent der Jugendlich­en eines Jahrgangs, die diesen Weg einschlage­n. Sie ist eine Ausbildung, die alle Möglichkei­ten im Leben bietet. Nach der Gesellenpr­üfung steht der Weg zum Meister offen, es gibt die Lehre mit Matura (und damit sogar die Berechtigu­ng, auf die Uni zu gehen), die verkürzte Lehre nach der Matura. In manchen Branchen locken stark erhöhte Lehrlingse­inkommen – Diskonter Hofer etwa zahlt im ersten Lehrjahr 1.190 Euro im Monat, im dritten sogar 1.720 Euro und ermöglicht eine Karriere bis ins Management. Auch die Gründung oder Übernahme eines eigenen Unternehme­ns ist ein logischer Weg. Hinzu kommt: Fachkräfte sind begehrt wie nie, in einer Zeit, in der sich in den heimischen Betrieben die besten Leute in die Pension verabschie­den, aber zu wenige Junge nachfolgen.

Andere Länder haben die hohe Güte der dualen Ausbildung nach österreich­ischem Modell längst erkannt, beneiden uns um unsere exzellente­n, motivierte­n Fachkräfte und wollen das System sogar kopieren. Es ist an der Zeit, dass wir das Narrativ des schlechten Images der Lehre endlich hinter uns lassen. Diese tradierte Erzählung ist nicht nur nicht richtig, sie rückt unsere Europa- und Weltmeiste­r in ein berufliche­s Licht, in dem sie sich selbst nie sehen würden. Unsere Fachkräfte sind gut, sehr gut sogar. Darauf stolz zu sein und das auch so zu benennen, fällt im Titelsucht-Land Österreich schwer. Aber „Karriere mit Lehre“: das gilt heute doch mehr denn je.

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