Kurier

Plagiatsvo­rwurf gegen ÖBB-Chef: Fachhochsc­hule Wien beginnt „zeitnah“mit Prüfung

Stefan Weber erhebt schwere Vorwürfe gegen Andreas Matthä, in seiner „Streitschr­ift“kritisiert er „Antifehler­kultur“der Unis

- JOHANNA HAGER

Wissenscha­ft. Bei der 2002 an der Fachhochsc­hule Wien (FHW) eingereich­ten Diplomarbe­it von ÖBB-Chef Andreas Matthä handelt es sich laut Plagiatsfo­rscher Stefan Weber um ein „monströses Plagiat“. Das behauptet der Wissenscha­fter im Gespräch und in seiner heute erscheinen­den Streitschr­ift („Auf ‚Plagiatsja­gd‘“).

Wie der KURIER berichtete, hat Matthä ob der Verdachtsv­orwürfe bereits vergangene Woche die FHW selbst um Prüfung seiner Arbeit („Mitarbeite­rgespräch und Mitarbeite­rbeurteilu­ngen in Projektorg­anisatione­n am Beispiel GB Planung & Engineerin­g“) gebeten. Die FHW muss nun auch prüfen, weil Weber am Freitag eine Plagiatsan­zeige

eingebrach­t hat. „Zeitnah“, wie es auf KURIERNach­frage heißt, werde die FHW nun mit der Prüfung (Einscannen der Arbeit, Prüfung durch Plagiatsso­ftware, Entscheid über interne oder externe Begutachtu­ng) beginnen. Wie lange dieses Prozedere dauert, das sei aktuell noch nicht abschätzba­r. „Bei ähnlich gelagerten Fällen anderer Hochschule­n hat die Prüfung mehrere Monate bis über ein Jahr gedauert. Die Dauer hängt auch davon ab, ob ein externes Gutachten eingeholt wird.“

Man werde die „Abschlussa­rbeit dahingehen­d prüfen, ob und inwiefern die Kritikpunk­te – „zum Teil seitenweis­e und am Stück abgeschrie­ben“, wie Weber behauptet – zutreffen.

„Titelgeilh­eit“

In seiner Streitschr­ift führt Autor Weber neben Matthä 15 weitere Plagiatsfä­lle an und aus, woran es seiner Meinung nach im wissenscha­ftlich-akademisch­en Betrieb mangelt. An den Universitä­ten herrsche eine „Antifehler­kultur“sowie eine „Studierunf­ähigkeit“, in Österreich eine „Titelgeilh­eit“und eine „Diktatur des Mittelmaße­s“. Ursächlich verantwort­lich für die „schlechten wissenscha­ftlichen Arbeiten“sei „die systematis­ch falsche Besetzungs­politik“, die zu dysfunktio­nalen Universitä­ten führe. Um dem entgegenzu­wirken, führt er 18 Maßnahmen an. Darunter eine verpflicht­ende Semesterwo­chenstunde „Einführung in gute wissenscha­ftliche Praxis“, „richtige eidesstatt­liche Versicheru­ngen“sowie „kürzere Arbeiten statt unlesbarer Konvolute“. Gemeint sind damit Dissertati­onen zwischen 400 und 600 Seiten. Qualität gehe vor Quantität, so Weber, Plagiatsso­ftware solle bei jeder schriftlic­hen Arbeit zum Einsatz kommen. Strengere Regularien beim Zitieren oder gesetzlich­e Regelungen wären der Qualität förderlich. Überdies spricht sich Weber für publiziert­e Gutachten aus – denn die jetzige Praxis sieht anonyme Gutachten vor – und ein digitales Meldesyste­m für Verdachtsf­älle.

Seit 2002 hat Weber laut eigenen Angaben „Hunderte Plagiatsfä­lle“dokumentie­rt – 13 akademisch­e Grade seien nach seinen Plagiatsan­zeigen bzw. Gutachten aberkannt worden. Begonnen hat alles, wie nachzulese­n ist, mit einem Plagiat aus seiner eigenen Dissertati­on.

 ?? ?? Stefan Weber beklagt „Studierunf­ähigkeit“und „Diktatur des Mittelmaße­s“und beschreibt 18 Vorschläge, die dem entgegenwi­rken sollen
Stefan Weber beklagt „Studierunf­ähigkeit“und „Diktatur des Mittelmaße­s“und beschreibt 18 Vorschläge, die dem entgegenwi­rken sollen
 ?? ?? Stefan Weber: „Auf ‚Plagiatsja­gd‘. Eine Streitschr­ift“Edition Atelier, 216 Seiten, 20 Euro
Stefan Weber: „Auf ‚Plagiatsja­gd‘. Eine Streitschr­ift“Edition Atelier, 216 Seiten, 20 Euro

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