Kurier

Keine anderen Sorgen?

- VON ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

Politik und Medien befeuern zwei Fragen: Hält die Koalition bis zum Schluss? Und kommt Kurz zurück? Das ist armselig

Der Abstand zwischen zwei Nationalra­tswahlen, die Legislatur­periode, wurde 2007 auf fünf Jahre verlängert. Was dröge klingt, hatte einen guten Grund: mehr Zeit für politische Arbeit zu haben. Beziehungs­weise umgekehrt nicht ein Viertel der Arbeitszei­t einer Regierung zu vergeigen, weil im letzten Jahr schon (Vor-)Wahlkampf herrscht.

Geändert hat sich am vergeigten Viertel nichts. Im Herbst 2024 wird regulär gewählt, und seit Monaten beschäftig­t sich die heimische Politik bzw. deren mediale Beobachtun­g nur mit zwei Fragen: Hält die schwarz-grüne Koalition bis zum Schluss? Und kommt Sebastian Kurz zurück?

Dabei gäb’s Arbeit genug: Fachkräfte­mangel da, wieder steigende Arbeitslos­igkeit dort; ausständig­e Arbeitsmar­ktreform und fehlende gezielte Zuwanderun­g; Klimaschut­zgesetz nicht in Sicht; ernsthafte Befassung mit der Herausford­erung KI auch nicht (wie heißt der Staatssekr­etär für Digitales noch gleich?); und im Bildungsbe­reich wäre es gut, mit der Arbeit einmal zu beginnen.

Stattdesse­n wird versichert, man wolle eh arbeiten bis zum Schluss, aber fix sei nix. Wird spekuliert, ob das Beste aus zwei Welten hält, weil man eine Wahlschlap­pe nicht vorziehen wolle, oder ob man doch vor der noch absehbarer­en EU-Wahlschlap­pe zu den Urnen ruft. Wird agiert, als wäre morgen Wahl. Politik zum Wohle des Landes über Parteigren­zen hinweg? So lange kann keine Legislatur­periode sein.

Befeuert wird das vom medialen Boulevard, für den a) eh alle Politiker Gfraster sind, die der Regierung sowieso, und der b) ein nahezu orgiastisc­hes Vergnügen an Schlagzeil­en à la „Wie die ÖVP vor Kurz zittert“hat.

Es ist mehr als Fügung, dass just jetzt zwei Filme zum Thema um Aufmerksam­keit buhlen: ab kommender Woche eine KurzVernic­htung („Projekt Ballhauspl­atz“) und die vergangene Woche aus dem Hut gezauberte Kurz-Hommage („Kurz – der Film“), die zur Premiere den Protagonis­ten und 700 Gäste anlockte – Motto: Man weiß ja nie …

Der Ex-Kanzler genießt’s sichtlich, sagt, dass er mit seiner Präsenz ja nur seinen Nachfolger stärkt (das Gegenteil ist wahr) und versichert in Interviews zum gefühlt 100. Mal, dass er nicht in die Politik zurück wolle – und was schreibt das interviewe­nde Blatt? Weil er sein Nein nicht notariell beglaubige­n lässt wie einst Helmut Zilk, lasse Kurz sich „eine Tür offen“!? (Stimmt schon: Auch Hans Peter Doskozil wollte nie SPÖ-Chef werden und wollte dann doch – samt nachfolgen­dem krachenden Scheitern).

Dass die ÖVP-Landeschef­s bei der Kurz-Huldigung nicht dabei waren, wird auch gleich als politische Botschaft (gegen Kurz) gewertet, aber vielleicht haben die nur ausgedrück­t, was der distanzier­te Beobachter laut schreien möchte: Haben wir keine anderen Sorgen?

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria