Putins Gegenoffensive gelingt
Einen G20-Gipfel wie diesen hat er sich nur wünschen können. Dass die Staats- und Regierungschefs der 20 potentesten Länder der Welt jetzt ein Statement unterzeichneten, in der höflich „Geländegewinne im Ukrainekrieg“kritisiert werden, in der das Wort Russland aber erst gar nicht mal vorkommt, ist ein diplomatischer Sieg Putins auf ganzer Linie.
Ist der Kremlchef damit rehabilitiert? Feiert er vielleicht sogar ein Comeback auf der Weltbühne, wie Brasiliens Staatschef Lula für den nächsten Gipfel in Rio andeutete?
Noch nicht ganz. Aber Putins Gegenoffensive abseits des Schlachtfelds gelingt mehr und mehr: Schon seit Jahren verschiebt sich das geopolitische Gleichgewicht zugunsten Chinas und Indiens, und das hat der Kreml schon vor langer Zeit ausgenutzt – mit beiden hat Putin schon seit Langem Allianzen gegen den „moralinsauren Westen“geschmiedet.
Das zahlt sich jetzt aus. Indien, das die Invasion seit Beginn des Bombardements nur „neutral“sieht, hält ihm in der Weltgemeinschaft den Rücken frei. Und China, sein engster wirtschaftlicher Partner, hilft still und leise bei der Umgehung westlicher Sanktionen. Putins Unterstützern geht es dabei nicht darum, Putins Expansionsbestrebungen zu unterstützen, sondern schlicht um Eigeninteressen – wenn Moskau die bedient, sind „regionale
Grenzkonflikte in Europa“ziemlich egal.
Das ist eine Sicht, die man kritisieren kann. Andererseits kann man sie auch verstehen, schließlich hat der Westen „regionale Konf likte“wie jenen Indiens mit Pakistan auch nur mit Desinteresse verfolgt. Putin weiß das, und er nutzt diese Nicht-Beachtung schon lange aus, indem er Egos anderer Staatenlenker streichelt und Geächtete aus der Verbannung holt. Nicht umsonst liefert der Iran nun Drohnen, und Nordkorea hilft ihm mit Artillerie aus.
Dass der Westen das „Achse des Bösen“nennt, wird ihm egal sein: Diese Wortwahl sieht man im Kreml nicht als Ohrfeige, sondern als Auszeichnung.