Kurier

Wer das Wasser hat, hat die Macht

Äthiopien befüllt einen weiteren Stausee seiner riesigen Nil-Talsperre. Ägypten nennt das „illegal“, man fürchtet um seine eigenen lebensnotw­endigen Ressourcen

- VON LUCAS AMMANN

Es ist das größte Staudammpr­ojekt in ganz Afrika, und es sorgt bereits seit Jahren für Konflikte zwischen den NilAnraine­rstaaten Ägypten, Äthiopien und Sudan: Die Rede ist vom Grand-Ethiopian-Renaissanc­e-Staudamm (GERD). Äthiopiens Premier Ahmed Abiy verkündete jetzt die Befüllung des vierten und damit letzten Beckens des zur Talsperre zugehörige­n Stausees. Das sorgt erneut für massive Kritik: Das ägyptische Außenminis­terium nannte die Aktion „illegal und einseitig“, auch das Nachbarlan­d Sudan ist entschiede­n gegen das Projekt. Beide Länder fürchten nämlich um ihre Wasservers­orgung. Der Nilwasser-Durchfluss nach Ägypten könnte sich durch die Stauseen nämlich um bis zu 25 Prozent verringern (siehe Grafik).

Konf liktpotenz­ial

Der Nil-Staudamm hat in der Vergangenh­eit schon für Kriegsdroh­ungen unter den Nachbarsta­aten gesorgt. Das 110 Millionen Einwohner zählende Ägypten ist massiv vom Nilwasserf­luss abhängig – es deckt seinen Wasserbeda­rf zu über 90 Prozent aus dem Nil. Das hat unter anderem mit den gewaltigen Mengen an Wasser zu tun, die die ägyptische Landwirtsc­haft zur Bewässerun­g benötigt. Rund 80 Prozent des Wasserverb­rauchs fällt in der Landwirtsc­haft an.

Ägypten fordert daher eine geringere Wasserentn­ahme und eine längere Befülldaue­r sowie ein Abkommen zur Regelung der Talsperre GERD. Auch der Sudan will ein solches Abkommen. Insbesonde­re geht es um die Wassermeng­e, die während einer länger andauernde­n Dürrephase freigegebe­n werden müsste.

Die jüngste Aktion mit der Befüllung des vierten Stausees werde die Ende Juli aufgenomme­nen Verhandlun­gen zwischen Ägypten und Äthiopien weiter „belasten“, heißt es aus dem Außenminis­terium in Kairo. Auch in der Vergangenh­eit scheiterte­n Verhandlun­gsversuche bereits mehrmals. Sogar die UNO beschäftig­te sich mit dem Fall – mit wenig Erfolg.

Äthiopien erfreut

Äthiopiens Ministerpr­äsident verkündete die Befüllung des neuen Stausees auf „X“(vormals Twitter) hingegen „mit großer Freude“. Das größte Infrastruk­turprojekt Äthiopiens hat auch einiges gekostet. Das ostafrikan­ische Land hat 4,3 Milliarden Euro für den Bau ausgegeben. Das Wasserkraf­twerk der gigantisch­en Anlage hat eine Jahresleis­tung von 16.000 Gigawattst­unden – etwa doppelt so viel wie der Eigenverbr­auch Äthiopiens.

Derzeit hat nur rund die Hälfte der Haushalte in Äthiopien Zugang zu Strom. Da die Elektrifiz­ierung weiter voranschre­itet, steigt der Energiebed­arf jährlich um ungefähr 30 Prozent. Das ostafrikan­ische Land will den produziert­en Strom aber nicht nur für die eigene Bevölkerun­g verwenden, sondern auch vermehrt ins Ausland verkaufen. Der fast zwei Kilometer lange Staudamm könnte also auch zu einem lukrativen Geschäft werden – zumindest für Äthiopien.

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