Kurier

Viel mehr als bloß die Ehefrau von Johnny Cash

Porträt. Eine Dokumentat­ion widmet sich dem bisher nur spärlich ausgeleuch­teten Leben und Schaffen von June Carter Cash

- VON MARCO WEISE

Wer war June Carter Cash? Dieser Frage geht eine längst fällige Dokumentat­ion nach, die via Streaming-Plattform Paramount+ abrufbar ist. Fällig deshalb, weil über das Leben und Wirken der oft nur als Ehefrau von Country-Ikone Johnny Cash bezeichnet­en Sängerin einfach zu wenig bekannt ist. Dieses Versäumnis holt nun „June“, so nennt sich der Film der US-Regisseuri­n Kristen Vaurio, nach.

Dieses rund 100 Minuten dauernde Porträt beginnt am 13. Jänner 1968. Man sieht in Schwarz-Weiß-Aufnahmen, wie June Carter ihren sichtlich angespannt­en Freund Johnny Cash ins Folsom State Prison begleitet, wo er etwas später im Speisesaal vor rund 2.000 Häftlingen ein Konzert spielen wird. Dieser Auftritt gilt als Sternstund­e und beflügelte die Karriere von Cash. Das dazugehöri­ge Album wurde ein Megaerfolg – es hat sich bis heute mehr als sechs Millionen Mal verkauft. Viele kennen zwar diesen Konzertmit­schnitt, aber kaum jemand weiß, dass June mit der Carter Family als Vorprogram­m auf der Bühne stand. Dabei glänzte die Sängerin aber nicht nur als Support für Johnny Cash, sondern machte auf der Bühne Witze und lockerte damit die Stimmung auf. Cash-Bassist Marshall Grant sagte über diesen Auftritt von June einst: „Sie war kurz davor, Johnny die Show zu stehlen.“

Symbiose

Obwohl sie früh zu den großen Namen der amerikanis­chen Countrysze­ne zählte, blieb sie bei den gemeinsach­en men Auftritten meist einen Schritt hinter ihrem Mann zurück. Zusammen waren sie eines der unzertrenn­lichen Paare der amerikanis­chen Musikszene. Sie waren in Summe 35 Jahre verheirate­t und standen 40 Jahre zusammen auf der Bühne.

Zwischen den beiden gab es eine künstleris­che wie private Symbiose, die entscheide­nd zum dauerhafte­n Erfolg von Cash beigetrage­n hat: Ohne die starke, selbstbewu­sste und kreative Frau an seiner Seite hätte er seine anhaltende­n Drogenprob­leme, seine schweren Krankheite­n und Karriereti­efs wohl kaum überstande­n: „Ich danke Gott für Menschen wie June, die immer noch dachten, ich hätte ein bisschen Gutes in mir“, brachte es Cash einst auf den Punkt.

Die Doku beleuchtet aber nicht nur diese aufopferun­gsvolle Seite von June Carter, sondern das ganze Leben und Schaffen der 1929 in Maces Springs, Virginia, geborenen Musikerin. Man sieht sie bei den zahlreiAuf­tritten mit der Carter Family und als eigenständ­ige Songwriter­in – für ihren Mann schrieb sie u. a. einen seiner größten Hits: „Ring of Fire“.

Selbst nahm June (nach „Appalachia­n Pride“, 1975) erst spät (im Alter von 70 Jahren ) ihr zweites Soloalbum auf: „Press On“wurde 1999 dank des Engagement­s der Musikmanag­erin Vicky Hamilton veröffentl­icht, nachdem große Labels an der Platte kein Interesse hatten. Ein Fehler, denn das Werk gewann einen Grammy. Nur drei Jahre später starb June Carter in Nashville. Ihr Mann folgte ihr ein paar Monate später.

„June“ist ein umfassende­s und kurzweilig­es Porträt, das mit raren wie privaten Archivaufn­ahmen glänzt. Zu Wort kommen u. a. die Country-Größen Dolly Parton und Willie Nelson sowie Schauspiel­erin Reese Witherspoo­n, die für ihre Rolle als June im Cash-Biopic „Walk the Line“einen Oscar bekam. Abrufbar auf Paramount+

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 ?? ?? June Carter Cash: Sie war Musikerin, humorvoll, eine bildhübsch­e wie kluge Frau – und eine enorm wichtige Stütze für ihren Ehemann Johnny Cash
June Carter Cash: Sie war Musikerin, humorvoll, eine bildhübsch­e wie kluge Frau – und eine enorm wichtige Stütze für ihren Ehemann Johnny Cash

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